Lustvolles Erwachen
Kellner die leeren Teller abräumte.
Sie konnte sich nicht daran erinnern, etwas gegessen zu haben. »Mein Appetit.«
»Tja. Das ist allerdings etwas, bei dem man durchaus erröten kann. Ich muss gestehen, dass ich erstaunt bin. Wie kann es sein, dass du weniger wiegst als Lady Cornley?«
Grace nippte an ihrem Tee. »Ist sie eine Freundin von dir?«
Diccan schauderte. »Himmel, nein. Ich könnte schwören, dass die Frau ihre Freunde isst.«
Grace stellte fest, dass sie lachen musste. »Du kennst sehr interessante Menschen.«
Diccan nahm Grace’ Listen und las sie, während sie ihren Tee trank. »Möpse«, sagte er plötzlich. »Ich will diese abscheulichen Kreaturen auf keinen Fall in meinem Haus haben – egal, für welches Haus wir uns entscheiden sollten.«
Grace lächelte. »Hat ein Mops dich mal vor den Kopf gestoßen?«
»Alle zivilisierten Menschen sollten Möpse ablehnen, meine Liebe«, entgegnete er beleidigt. »Sie schnüffeln. Meine Mutter hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, diese kleinen Monster zu züchten.«
Grace nickte. »Dann entscheidest du über unsere Haustiere. Ich habe sowieso keine Erfahrung damit.«
Diccan sah sie an. Seine Miene wirkte seltsam ungerührt. »Dann entscheide ich, dass wir überhaupt keine Haustiere haben werden. Was ist mit dem Affen?«
Sie lächelte. »Ich habe bisher noch nicht mit ihm zusammengewohnt. Ich habe allerdings gehört, dass man, wenn man ihn als Haustier hat, keine Feinde mehr braucht.«
»Unglaublich, meine Liebe. Besser wär’s, wenn du nicht so ein großes Herz für Tiere hättest. Aber du hast ja sogar Gefallen an meinem hässlichen Pferd gefunden.«
Wieder lächelte sie. »Ich habe nie gesagt, dass ich keine Tiere möchte. Ich habe gesagt, ich hätte nie eines gehabt. Pferde und Jagdhunde sind die einzigen Tiere, die einen Gewaltmarsch, wie er im Krieg manchmal nötig war, überstehen – und bekanntermaßen sind sie die denkbar schlechtesten Haustiere zum Streicheln. Hattest du als Kind Haustiere? Außer den Möpsen natürlich.«
»Möpse sind keine Haustiere. Sie sind Ungeziefer. Und selbstverständlich hatte ich ein Haustier. Ich hatte eine Gans.«
Grace hätte beinahe ihren Tee ausgespuckt. »Wie bitte?«
Er sah sie ernst an. »Eine Gans. Sicherlich hast du schon Bekanntschaft mit der einen oder anderen Gans gemacht.«
»Sicher. Das habe ich. Ich habe sie verspeist.«
Er zuckte zusammen. »Erspare mir die Details. Meine Gans war die mutige Beschützerin von kleinen Jungs und Scheunenhöfen. Ihr Name war Mildred.«
Grace verspürte den unbändigen Drang, laut loszuprusten. »Ein schöner Name.«
Diccan warf ihr einen Blick zu, der bedrohlich hätte wirken können, wenn seine Augen nicht gefunkelt hätten. »Diese Information ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.«
»Du liebe Zeit, nein. Angesichts der Tatsache, dass du ein Vorreiter in Sachen neuester Mode bist, würde es vielleicht Schule machen, dass man eine Gans neben sich in der Kutsche hat – und was würde dann aus dem traditionellen Weihnachtsbraten werden?«
Seine Mundwinkel hoben sich. »Genau. Hast du einen Stift? Auf der Liste stehen einige Anwesen, deren Besichtigung man sich sparen kann.«
Grace reichte ihm ihren Bleistift, und er fing an, einige Adressen durchzustreichen.
»Bentley?«, überlegte er laut und runzelte die Stirn. »Wie kommt es, dass ich nichts davon gehört habe?«
»Viscount Bentley? Der Makler meinte, dass er auch seinen Stall verkauft. Er klang, als wäre es von großer Bedeutung.«
Diccan sah stirnrunzelnd auf. »Er hat gerade seinen Sohn verloren. Jetzt frage ich mich, was noch …«
»Wie bitte?«
Er schreckte auf, als wäre er aus seinen Grübeleien gerissen worden. »Kannst du fahren?«
Unwillkürlich fragte sie sich, was er ihr verschwieg. »Zählen Kamele auch?«
»Nur wenn sie vor einen Zweispänner gespannt sind.«
Sie nickte. »In dem Fall werde ich lediglich damit prahlen, dass ich vom Verpflegungswagen bis zur Herrenkutsche alles fahren kann. Ich wollte auch mal ein Geschütz bewegen, doch General Picton hat Einspruch erhoben.« Als Diccan die Augenbrauen hochzog, lächelte sie. »Zwischen den Feldzügen hatten wir viel Zeit. Die Männer meines Vaters haben dann am liebsten meine Fähigkeiten geprüft und erweitert.«
»Ihr hattet Herrenkutschen in Talavera?«
»In Kalkutta.«
Er schüttelte den Kopf. »Kamele zu den Pyramiden zu reiten hätte mir als Eignungsnachweis schon ausgereicht. Bentley hat Kutschpferde,
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