Luther. Die Drohung
treffen.«
Luther schaut in seine Notizen, um den Blickkontakt zu unterbrechen.
»Also keine speziellen Sorgen? Keine Drohungen, keine komischen Anrufe?«
»Nichts, was er mir mitgeteilt hätte.«
»Er hat nicht etwas mehr getrunken? Sich vielleicht irgendwie selbst
behandelt? Schlaftabletten? Zigaretten?«
»Nein. Nichts dergleichen.«
Howie schaltet sich ein. »Was ist mit jungen Frauen?«
Needham wendet sich ihr zu. »Nicht Tom.«
»Ich meine, behandeln Sie in dieser Praxis junge Frauen?«
»Glauben Sie, eine Frau hat das getan?«
»Es ist möglich«, sagt Luther.
»Tom ist ein starker Mann. Er ist durchtrainiert. Eine Frau. Das ist
einfach …«
Stille breitet sich aus. Die Uhr tickt.
»Ja, wir behandeln auch Frauen«, sagt Needham. »Aber ich weiß nicht.
Es kommt mir irgendwie merkwürdig vor. Wieso eine Frau?«
»Wir versuchen nur, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.«
Luther steckt seinen Notizblock in die Tasche. »Nur noch eins: Kennen Sie
irgendjemanden, der einen Hausschlüssel der Lamberts haben könnte?«
»Ich fürchte nein. Tut mir leid. Wahrscheinlich ihre Putzfrau. Aber
mehr weiß ich nicht.«
Luther bedankt sich und steht auf. Howie folgt einen halben Schritt
hinter ihm.
Needham führt die beiden hinaus. An der Tür fragt er: »Werden Sie
den Mann schnappen?«
»Wir tun, was wir können.«
»Nun, ich möchte nicht unhöflich sein, aber das klingt für mich wie
typisches Polizeigerede.«
Luther zögert, lässt Howie den Vortritt.
Sie fragt: »Mr Needham, haben Sie irgendeinen Grund zur Sorge um
Ihre eigene Sicherheit?«
»Objektiv betrachtet wahrscheinlich nicht mehr als sonst. Aber ich
habe Frau und Kinder, wissen Sie. Ich bin auch nur ein Mensch.«
»Dann helfen Sie uns. Zeigen Sie uns Tom Lamberts Patientenakten.«
»Das kann ich selbstverständlich nicht machen.«
»Das wissen wir«, sagt Howie. »Natürlich. Aber halten Sie es
wirklich für moralisch vertretbar, die Sicherheit Ihrer Kinder aufs Spiel zu
setzen?«
Needham betrachtet sie mit prüfendem Blick.
Howie erwidert ihn.
Leise sagt Luther: »Wer immer das getan hat, ist in das Haus
eingedrungen, während Tom und Sarah schliefen. Er hat Toms Genitalien
abgeschnitten und ihn damit erstickt. Er hat Sarahs Bauch aufgeschlitzt, und er
hat ihr Baby entführt. Das Baby lebt vielleicht noch. Wir wissen beide, was Mr
und Mrs Lambert durchgemacht haben, um dieses Kind zu zeugen. Wenn Sie ihnen
helfen wollen, Mr Needham, dann helfen Sie mir, es zu finden – bevor wer immer
der Entführer ist tut, was auch immer er damit vorhat.«
Needham blickt auf seine Hand, die noch immer den Türgriff
umklammert. Er muss sich einen Moment konzentrieren, damit die Hand loslässt.
Dann wischt er sie an seinem Hemd ab. »Wie gesagt, ich vermute, die Putzfrau
muss einen Schlüssel haben. Das muss sie doch, oder?«, fragt er.
»Sehr wahrscheinlich«, sagt Luther. »Hat Mr Lambert die Kontaktdaten
der Leute gespeichert, die Zugang zum Haus haben könnten? Putzfrauen,
Handwerker und so weiter?«
»Ja«, antwortet Needham. »Tom ist sehr gewissenhaft, wenn es darum
geht, Daten zu speichern.«
»Wo hat er diese Daten gespeichert?«
»Auf seinem Arbeitscomputer.«
»Haben Sie Mr Lamberts Passwort und Zugangsdaten?«
»Ja. Aber Sie verstehen ja, dass ich darauf vertraue, dass Sie weder
seine Patientendatenbank noch seinen Terminkalender öffnen. Diese Dinge fallen
unter die ärztliche Schweigepflicht.«
»Selbstverständlich«, sagt Luther.
»Dann sehe ich kein Problem.«
Needham führt sie in Tom Lamberts Büro, das seinem eigenen gleicht.
Tom benutzt ein älteres IBM ThinkPad. Seine Sessel sind aus weichem, dunklem
Leder. Needham setzt sich an Toms Computer, loggt sich ein, sieht dann
ostentativ auf die Uhr. »Ich muss ein paar Anrufe erledigen, Toms Termine
absagen und so weiter. Ich bin in etwa fünfzehn Minuten wieder da?«
»Das ist mehr als ausreichend«, sagt Luther.
»Hervorragend«, antwortet Needham.
Ein Augenblick verstreicht. Dann geht Needham rückwärts aus dem
Zimmer wie ein Diener und lässt Howie und Luther mit Tom Lamberts Computer
allein.
»Okay. Legen Sie los«, sagt Luther.
Howie streift ihre Jacke ab und hängt sie über die Lehne von Tom
Lamberts Stuhl.
Sie legt los.
Sie gehen, ohne Needham noch einmal zu sehen. Sie nicken
der Sprechstundenhilfe zum Abschied zu, die mit dem rohen, leeren
Gesichtsausdruck eines Menschen, der kürzlich jemanden verloren hat, am
Empfangstisch
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