Luther. Die Drohung
fühlt mit ihm; er ist ein anständiger Kerl, und es ist immer
traurig mit anzusehen, wie ein großer Mann klein gemacht wird.
Bill schaltet durch alle Sender, aber es läuft nichts anderes. Er
versucht es eine Weile mit Radio 2: dieselbe Geschichte. Er bekommt Bruchstücke
davon mit, genug, um zu wissen, dass sie fürchterlich ist – eine Geschichte,
die er nicht hören will, ein weiterer Beweis dafür, dass die Welt den
verdammten Bach runtergeht.
Dot hat es gut, nicht mehr da zu sein.
Der Gedanke an sie verursacht dieses zittrige Gefühl in Bills
Schenkeln. Er vermutet, es ist die Einsamkeit, aber Einsamkeit ist so ein
dummes Wort, ein Popsong-Wort, ein beschissenes Herman’s-Hermits-Wort. Es hat
kaum etwas zu tun mit diesem scheußlichen Gefühl in seinem Bauch und im oberen
Teil seiner Beine. Er weiß, wenn er sitzen bleibt, wird es seinen Rücken hinauf
und um seinen Hinterkopf kriechen, und er wird anfangen zu weinen wie ein
beschissenes Baby. In solchen Momenten merkt er, dass das Haus nach Kälte und
Dreck stinkt.
Er schnappt sich die Hundeleine und das Halsband vom Haken an der
Rückseite der Küchentür. Der kleine Paddy dreht durch. Er dreht immer durch bei
einem Spaziergang.
Bill schlurft weiter, um die graue Windjacke und die Hush Puppies zu
holen. Er zieht den Reißverschluss der Jacke bis zum Kinn hoch und setzt die
Bommelmütze auf, die Dot ihm gekauft hat.
Dann treten er und Paddy ins Freie.
Es ist alles ein bisschen umständlich. Bill braucht einen Gehstock,
und eine Hand ist noch in Gips. Also muss er die Schlaufe der Leine über den
Gips ziehen und dort irgendwie festklemmen. Glücklicherweise hat Paddy ein
bisschen Arthritis in den Hüften – Yorkies bekommen das –, und es genügt ihm,
neben Bills Fersen herzutrotten, wobei er ab und zu stehen bleibt, um das Bein
zu heben. Er ist ein unerschrockenes kleines Geschöpf, und Bill bewundert das.
Es gab eine Zeit, da wäre ihm der kleine Paddy peinlich gewesen. Er
war eigentlich Dots Hund. Er war kein Männerhund, ein Mann will einen
Gefährten, keins dieser lächerlichen, grimmigen Mistviecher, die alle jungen
Leute heutzutage haben, die gemeinen kleinen Dinger mit den winzigen Augen und
der geblähten Brust und den O-Beinen. Als Bill jünger war, hatte man Angst vor
Deutschen Schäferhunden und Dobermännern.
Wenn man in den Sechzigern und Siebzigern bei der Müllabfuhr
arbeitete, erzählte man sich Geschichten über grimmige Hunde. Die Hunde, über
die man sich Geschichten erzählte, waren immer schwarz und gelbbraun.
Aber jene Hunde waren intelligent und schön; selbst ein
verwahrloster und unterernährter Deutscher Schäferhund hatte Verstand in den
Augen, deswegen setzte die Polizei sie ein. Und Dobermänner wurden aus gutem
Grund als Wachhunde gehalten. Diese muskelbepackten kleinen Viecher, nichts als
Kiefer und Brust, schauten drein wie Vollidioten, wie Frauenschläger.
Bill und Paddy trotten etwas wackelig, aber tapfer voran.
Er schaut bei Mr Patel vorbei, um sich eine Ausgabe der Racing Post und zwanzig Benson & Hedges zu holen, dann spaziert er weiter zu William Hill .
Selbst das Wettbüro ist nicht mehr das, was es einmal war.
In einem Wettbüro herrschte immer eine bedrückte, kollegiale
Stimmung, die ganzen Arbeiter und die Taxifahrer und die Säufer. Er schaute
vorbei, nachdem seine Schicht zu Ende war, es war noch früh. Dot war dann noch
bei der Arbeit. Er verwettete ein oder zwei Pfund, ging nach Hause und machte
ein Nickerchen. Dann räumte er ein wenig auf: Dot fand immer ein sauberes Haus
vor, obwohl das nichts war, worüber man im Pub sprach.
Aber Bill war bei der Navy ausgebildet worden, er wusste, wie man
die Dinge ordentlich und sauber und an ihrem Platz hielt – und Dot machte
Überstunden und kam mit wunden Füßen nach Hause.
Bill machte nie die Wäsche, und er kochte in seinem ganzen Leben nie
ein Essen, außer manchmal ein bisschen Ei mit Toast für die Kinder, wenn Dot
krank war. (Meist schickte er sie aber zur Frittenbude, und sie aßen ein
schönes Stück Kabeljau, während sie Nationwide sahen – diese Sue Lawley und ihre Beine.)
Aber er saugte gern ein wenig, spülte das Frühstücksgeschirr, räumte
auf, wischte ein bisschen Staub, machte das Bett (er genoss es, die Laken
richtig straff zu spannen). Er putzte die Fenster, werkelte ein wenig im
Garten, wenn das Wetter gut war. Dann verbrachte er oft eine Stunde im
Schrebergarten und war rechtzeitig zum Abendessen wieder da.
Es kam ihm so
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