Luther. Die Drohung
als vielmehr eine Reinigung, als stülpte er sich von
innen nach außen.
Er wusste, dass er ein Risiko einging, indem er die Unterhose
zurückließ – aber der Gedanke erregte ihn. Das Sperma würde bis zum Morgen
getrocknet sein, dachte er. Sie würde aufwachen und die Hello-Kitty-Unterwäsche
in ihre Handtasche stecken. Sie würde sie mit nach Hause nehmen und waschen,
und dann würde sie sie wieder tragen. Sie würde sie wieder und wieder tragen.
Henry genoss die Macht, die ihm das über die geheimen Falten ihrer Möse gab.
Also ließ er die Unterhose dort zurück, wo er sie gefunden hatte, am
Zwickel vollgesogen mit seinem Sperma, und verließ die Wohnung auf demselben
Weg, wie er hereingekommen war.
Es war eine Sommerromanze. Henry wurde süchtig nach dem Paar, das
Richard und Claire hieß. Richard arbeitete in der City und Claire in einem
kleinen Produktionsbüro in Soho – eigentlich saß sie nur am Empfang und kochte
Tee, aber sie war ehrgeizig und fröhlich und beliebt. Henry bewunderte sie
dafür.
Zweimal die Woche fuhr er mit Claire in der Bahn, oft genug, dass
sich eine stille Bekanntschaft zwischen ihnen entwickelte und sie sich
zunickten. Ein- oder zweimal wurden sie in der Rushhour aneinandergedrängt, sie
hielten sich an den Schlaufen fest, und er roch sie und spürte die Kraft seines
geheimen Wissens – um den bleichen Bikiniumriss, den sie auf der Haut trug, und
die Art, wie sie zum Orgasmus kam. (Zuerst krümmten sich ihre Füße und dann
spannten sich die Muskeln in ihren Beinen an, und die Spannung stieg durch
ihren Körper hinauf und in ihren Hals und ihren Kopf und ihr Gesicht. Dann
zuckte es in ihrem Bauch und sie biss sich auf die Lippe. Sie hob die Hüften an
und machte leise, intime, erstickte Geräusche, und manchmal, wenn es vorbei
war, lachte sie wie Leute, die aus einer Achterbahn steigen.)
Richard und Henry schafften es nicht einmal bis zu einem Bekanntschaftsgrad,
bei dem sie sich zunickten, obwohl Henry es so einrichtete, dass er genauso oft
in Richards Bahn war wie in Claires.
Je besser er Richard kennenlernte, desto mehr sah er ein, dass er
einen Fehler gemacht hatte. Claire war perfekt, aber Richard war es nicht. Er
war wie ein knackiger, grüner Apfel, der sich beim Hineinbeißen als mehlig und
trocken erweist.
Richard war einfach irgendein Typ. Er hatte nichts Interessantes zu
sagen. Er hatte keine Meinungen, die er nicht mit jedem zufällig ausgewählten
Mann seines Alters, seiner sozialen Schicht und Ethnie teilte.
Richard war ein Langweiler. Selbst seine Art zu ficken wurde schnell
langweilig. Wenn er sein Gesicht in Claires heiliger Fotze vergrub, schaute er
ab und zu an die Decke und ärgerte sich, weil es so lang dauerte, bis sie kam.
Eines Abends folgte Henry Richard in eine Bar in Soho und sah, wie
er sich mit einer anderen Frau traf. Er sah ihnen dabei zu, wie sie sich
betranken. Er sah Richards Hand auf ihrem Knie. Er sah, wie sie sich über den
Tisch hinweg küssten.
Henry geht immer noch manchmal durch Claires Straße, und ab und zu,
wenn er in der Gegend ist, schaut er in einem Pub oder einer Weinbar in Soho
vorbei, die Richard früher häufig besuchte.
Er fragt sich oft, was aus den beiden geworden ist, ob sie mit
anderen Menschen ihr Glück gefunden haben. Manchmal stellt er sich vor, wie die
Hände eines anderen Mannes die Hello-Kitty-Unterhose erforschen und in Claire
hineingleiten. Er verspürt eine warm glimmende Sehnsucht.
Aber Richard und Claire waren eine lehrreiche Übung auf der Suche
nach Perfektion gewesen: Erste Eindrücke können bezaubern, aber man muss dieses
wundervolle Glücksgefühl überwinden, die grenzenlose Schwärmerei, die sich
anfühlt wie eine Art Wahnsinn. Man muss alle Stimmungen des Paars kennenlernen,
all seine Gewohnheiten, gute wie schlechte.
Zum jetzigen Zeitpunkt beobachtet Henry aktiv sechzehn Paare in
London, manche kinderlos, manche nicht.
In einem Safe im Erdgeschoss bewahrt er Schlüssel zu allen ihren
Häusern auf. Es gefällt ihm, heimlich hineinzugehen und herumzulaufen, während
sie schlafen. Es gefällt ihm, sie zu fotografieren, zu filmen. Es gefällt ihm,
dort zu masturbieren, obwohl er natürlich nicht mehr seine DNA zurücklässt.
Henry weiß, wie man sich in einem Haus aufhält, ohne bemerkt zu
werden. Er macht das seit Jahren, lange vor Patricks Geburt.
Nun holt er den Laptop aus seinem Versteck hervor und fährt ihn
hoch. Er und Patrick sitzen auf dem Sofa, während Henry durch die
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