Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
Ich will es wenigstens versucht haben! Abt Nobru hat immer gesagt, dass mein Blut geheimnisvolle Kräfte hat. Und wer weiß, wann ich noch einmal eine Gelegenheit für einen Versuch habe. Wenn Vater dahinter kommt …
Ayleen atmete tief durch. Ja, sie hatte Angst vor diesem Schritt. Trotzdem - ebenso vorsichtig nahm sie nun die Urne mit der einzigen Jahreszahl darauf aus der Nische und stellte sie neben das Buch. Ungeachtet der Mondphase und den darin erklärten notwendigen Vorkehrungen öffnete sie das Grabbehältnis. Ein kurzes Zögern. Wieder blickte sie sich suchend um. Da – ein paar Tonscherben auf dem Boden. Sie hob eine davon auf. Wieder ein tiefer Atemzug. Dann riss sie sich mit der scharfen Kante der Scherbe die Ader ihres linken Handgelenkes auf und ließ ihr violettrotes Blut in die Urne tropfen. Sie wusste nicht, wie viel davon nötig sein würde. Nein, im Grunde hatte sie überhaupt keine Ahnung, was sie da tat! Sie sah und hörte noch, wie die verflüssigte Asche in dem Gefäß aufsprudelte und zu explodieren schien, wie schwarzgraue zähflüssige Lava über den Rand rann und auf den Boden tropfte. Dann wurde sie ohnmächtig.
Kurz vor dem Morgengrauen schreckten Leander Knight in Italien und Jason Dawn in Schottland von ihren Ruhestätten hoch und starrten in die Dunkelheit. Etwas Grausames, Mächtiges hatte das mentale Netz der Vampirwelt erschüttert. Etwas, das man schon längst begraben glaubte.
†
„Komm schon, Schätzchen, wach auf“, murmelte der athletische Vampir, der vor Ayleen auf dem Boden kniete und klopfte leicht gegen ihre Wangen. Auf seiner weißen, fast transparenten Porzellan-Haut klebte ein violett-roter Schleim von seiner Wiedergeburt. Er spürte deutlich, dass dieses Wesen vor ihm kein Mensch war. Ihre Wunde am Handgelenk hatte sich längst wieder geschlossen, doch es war genug Zeit gewesen, die Farbe ihres Blutes zu erkennen: Violett! Also hieß es, vorsichtig zu sein, obwohl ihn ein großer Durst plagte.
Er schaute sich suchend um, griff sich Ayleens Jeansjacke, die neben ihr lag und band sich diese um die nackten Hüften. In diesem Zustand glich er eher einem Zombie oder einer anderen Schreckgestalt als dem schönen jungen Vampir Xavier Dantes. Ungeduldig rüttelte er erneut an den Schultern der ohnmächtigen Frau.
„Ich weiß zwar nicht, wer du bist und wie du das gemacht hast, aber trotzdem danke“, knurrte er jetzt als er sah, wie sie die Augen aufschlug und vor Schreck erstarrte. „Kein schöner Anblick, was?“
Ayleen stotterte vor Verlegenheit ein paar unverständliche Worte und wich, noch immer auf dem Boden sitzend, vor ihm zurück. „Du … du bist nicht Jason.“
Ein heiseres Lachen war die Antwort.
„Wenn du Jason Dawn meinst, nein, allerdings nicht. Sieht so aus, als galt dein Vorhaben meinem früheren Erschaffer und nicht meiner Wenigkeit.“
Zynismus und Zorn klang in seiner Stimme mit. Während der ganzen Zeit versuchte Xavier, das klebrige Zeug von seinem Körper zu entfernen, was ihm nur teilweise gelang. Jetzt reichte er ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. „Komm schon!“
Zögernd griff Ayleen zu und mit einem Ruck stand sie auf den Beinen. Er hatte erstaunlich viel Kraft für einen neugeborenen Untoten, befand sie für sich. Verstohlen musterte sie die Gestalt vor sich. Ein junger, attraktiver Mann könnte das sein, wenn er mal geduscht hätte. Kalte Saphiraugen in einem immer noch verklebten Gesicht. Auch die hellen, kinnlangen Haare waren nur als nasse Strähnen zu erkennen. Außerdem sah er mit ihrer Jacke um die Hüften eher lächerlich aus.
„Wo sind wir hier eigentlich?“, erkundigte sich der Vampir jetzt. Neugierig blickte er sich in dem hohen Gewölbe voller Grabgefäße um.
„In den Katakomben der Seelenlosen“, gab Ayleen ihm automatisch zur Antwort. Sie wusste nicht, was sie von dieser Entwicklung ihres Planes halten sollte, spürte sie doch eine dunkle Macht in ihm, die sie gleichzeitig anzog wie abschreckte. Ihr Unterbewusstsein sagte ihr deutlich, dass sie einen Fehler gemacht hatte, der sich nicht so leicht korrigieren lassen würde. Für einen Augenblick dachte sie daran, den Unbekannten hier unten zurück zu lassen. Doch spätestens beim nächsten Besuch ihres Vaters hier wäre ihr Tun aufgeflogen.
„Nie gehört. Und wer bist du, wenn ich fragen darf?“
„Ayleen Knight. Mein Vater ist Leander Knight.“
Als Ayleen den Namen ihres Vaters nannte, war es an Xavier, das junge Ding da
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