Lux Aeterna 2 (Die Abenteuer des Vampirs Jason Dawn) (German Edition)
vor ihm gründlich zu mustern. Was er sah, gefiel ihm durchaus. Blauviolette Pupillen mit einer unergründlichen Tiefe blickten ihn offen an. Sie schien keine wirkliche Angst vor ihm zu haben. Im Gegenteil, er entdeckte Neugier darin. Eine elfenhaft zarte Statur mit langen weißblonden Haaren, die voller Staub und Spinnweben hingen, was ihr einen morbiden Charme verlieh. Eine Frau, die seinen Besitzanspruch weckte. Wäre sie ein Mensch und die Situation eine andere gewesen, dann hätte er sie hier und jetzt genommen! Ja, da hätte er bei ihr sogar eine Ausnahme zu seiner sonstigen Neigung gemacht, die sich eher auf junge Männer bezog. Vielleicht nur ein einziges Mal und vielleicht nur, weil er spürte, wie unberührt und unschuldig sie war. Noch so leicht zu beeinflussen und irgendwie – besonders.
„Sieh an, ist unser Engelchen zum Sünder geworden“, amüsierte er sich nun grinsend, als er sich vorstellte, dass der Halbengel eine Frau geschwängert hatte. Aber was für eine Frau? Wer weiß, welches Erbe dieses zauberhafte Wesen da vor ihm in sich trug! Gut, dass er sich beherrscht und Ayleens Blut nicht getrunken hatte!
Ayleen zog verwundert die Augenbrauen hoch. „Du kennst meinen Vater?“
Xavier lachte. „Und ob ich den kenne. Wir hatten bereits einmal das Vergnügen.“
In der Tat hatte er einmal den Halbengel sogar in seiner Gewalt gehabt. Jetzt waren die Karten neu gemischt.
„Und dein Name?“, fragte sie jetzt. Schließlich hatte er sich noch gar nicht vorgestellt!
„Xavier Dantes.“
Ayleen erstarrte innerlich. Vor diesem Namen hatte ihr Vater sie gewarnt! Und diesen Mann hatte ihre Mutter als ihren Gefährten ausersehen?
„Ich würde vorschlagen, wir setzen unsere Unterhaltung woanders fort. Ich würde gerne ein Bad nehmen und mich frisch machen. Außerdem brauche ich neue Kleidung. Wie kommen wir hier heraus?“ Dabei blickte er an sich herunter.
Ja, wie kam ein „lebender“ Vampir aus diesen Katakomben heraus? Die junge Frau wusste von ihrem Vater, dass der einzige Eingang durch das Zimmer des Bischofs zugemauert worden war. Sie würde ihren ungebetenen Gast mitnehmen müssen! Erschrocken blickte sie auf die Uhr. Es war kurz vor sechs Uhr morgens. Auf dem Weingut kamen jetzt die ersten Leute aus dem Dorf zur Arbeit. Wenn sie Glück hatte, war ihr Vater bereits unterwegs.
„Was ist nun?“, fragte Xavier nochmals ungehalten und schaute sich um. Dabei fiel sein Blick auf das alte Buch neben den Scherben der Urne, die bei seiner Geburt zerbrochen war. Er trat näher und blätterte einige Seiten um. Auch wenn er nicht alle Worte dieser fremden Schrift verstand, so erkannte er doch die Bedeutung dieses Werkes. In seinem rachsüchtigen Herzen reifte ein Plan. Er brauchte dieses Buch und er brauchte diese Frau dazu! Als sein Entschluss fest stand, klappte er das Buch zu und nahm es an sich.
„Nein!“, widersprach Ayleen heftig und wollte ihm das Buch wieder entreißen. Wie sollte sie das ihrem Vater erklären? Mit einem Ruck, der sie rückwärts taumeln ließ, zog er es fort.
„Das behalte ich erstmal, mein Engelchen“, grinste er. „Es wäre besser, du findest dich damit ab!“
Eine versteckte Drohung lag in diesem letzten Satz, der Ayleen blass werden ließ. Was hatte sie nur getan?
„Jetzt bring uns hier raus“, forderte er diesmal direkt.
Ayleen blieb nichts anderes übrig. Sie reichte ihm die Hand, die er ergriff und erneut reiste sie in einer Lichtwelle – zurück in ihr Zimmer.
Dort angekommen machte sie sich notgedrungen daran, ein paar Kleidungsstücke zusammen zu suchen, während der Vampir duschte. Sie hatte Glück: Ihr Vater war tatsächlich bereits auf den Feldern. Während sie Hemd und Hose für ihn bereit legte, kam ihr noch einmal der Gedanke, den Blutsauger zu beseitigen. Einen Kampf aber würde sie auf jeden Fall verlieren. Außerdem war da ein gewisses Interesse, mehr über den jungen Mann zu erfahren, der Lady Alderley so beeindruckt hatte, dass sie ihn zum Stammvater einer neuen Rasse auserkoren hätte. Wenn sie nun selbst wählen müsste? Jason war ihr auf seltsame Weise vertraut. Ihn glaubte sie zu lieben. Aber diesen Xavier wollte etwas in ihr gerne noch kennen lernen. Er war so ganz anders als der junge Fürst. Jetzt wusste sie plötzlich, warum sich Menschenfrauen immer zu den sogenannten „bad guys“ hingezogen fühlten.
Dass sich das durchaus lohnen könnte, bewies sein Anblick, als er mit dem Buch unter dem linken Arm zu ihr in die Küche
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