Lux Aeterna (German Edition)
der Gerechtigkeit. Er kann doch so einen Mörder nicht frei herumlaufen lassen.“ Ihr Lachen klang bitter.
Rafael sah sie misstrauisch an. „Und du denkst nicht, dass du in deinen Rachegelüsten etwas zu weit gehst?“
„Oh nein, wir sollten das durchziehen, bevor Jason zu mächtig wird.“ Sie nahm Rafaels Gesicht in beide Hände und küsste ihn wild und leidenschaftlich, wie um ihren Pakt zu besiegeln. Diana erhob sich von ihrem Sessel, ging zu Rafael und ließ es sich nicht nehmen, das gleiche zu tun.
Die ersten Leichen von zwei erst fünfzehnjährigen Mädchen aus der Gothic-Szene fand Kommissar Welsch drei Tage später auf dem Friedhof Ohlsdorf. „Genau wie damals“ , dachte er, als er die Szenerie betrachtete. Die Teenager lagen mit weit aufgerissenen Augen und ebenso aufgerissener Halsschlagader zu Füßen einer großen Engelsstatue. Ein wolkenverhangener Himmel und ein leichter Nieselregen verpassten dem Ganzen die entsprechende Atmosphäre.
Die Spurensicherung war gerade dabei, den Tatort abzusperren. Ramon Pérez, sein Assistent, machte sich eifrig Notizen, obwohl es eigentlich noch gar nichts zu notieren gab. Kommissar Welsch seufzte, schlug den Kragen seines Trenchcoats hoch und ging ein Stück den angrenzenden Friedhofsweg entlang.
Drei junge Leute in eleganter schwarzer Kleidung kamen ihm entgegen. Der Mann in der Mitte war auffallend groß, von muskulöser Gestalt und hatte die Arme um seine beiden Begleiterinnen gelegt, die eine dunkel- die andere hellblond und beide bildhübsch. Eine von ihnen kam dem Kommissar bekannt vor. Sie sahen dem einsamen Polizeibeamten direkt in die Augen - lächelten wie auf Kommando - und alle drei hatten sie jenen seltsamen, seelenlosen Blick, den der Kommissar schon so oft gesehen hatte.
„Jetzt treiben die sich schon ganz offen hier herum. Wie die Geier“ , dachte Welsch. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, doch der hatte nichts mit der kühlen Morgenluft zu tun. Dann ging er grübelnd weiter. „Wenn das Jason war…“ Er dachte an die frühere Sammelleidenschaft des jetzigen Vampirfürsten. Bei diesem Gedanken tastete er vorsichtig in die Innentasche seines Jacketts. Ja, er war da. So wie immer, wenn er aus dem Haus ging, seit er dieses Relikt aus grauer Vorzeit besaß – der Dolch der Hekate. Derselbe Dolch, mit dem sich seine damalige Assistentin Rita Hold umgebracht hatte. Er würde mit Jason reden müssen – bald!
* * *
Dieser hatte die Gelegenheit ergriffen, mit seiner Band einige Proben für neue Songs zu absolvieren. So ganz zufrieden war er mit der Entwicklung nicht. Ihm fiel auf, dass sich The Raven ziemlich oft verspielte, was bislang nur sehr selten vorgekommen war. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die Band wollte die neuen Songs zunächst einmal live in einem kleinen Club namens Zodiac vorstellen. Bis zum Auftritt musste aber alles reibungslos laufen. Und das sah bislang nicht so aus! Zornig lief Jason in der alten Halle auf und ab. „So geht das nicht“, schimpfte er mit den Bandkollegen. „Ich hab langsam das Gefühl, dass ihr gegen mich spielt.“ Dabei sah er abwechselnd von einem zum anderen.
Alle, bis auf Rafael, sahen ihm offen in die Augen.
„Vielleicht solltest du einfach mal öfter bei den Proben dabei sein“, schlug Stefan, der Bassist, vor. Ohne eine Antwort darauf zu geben, verließ Jason den Proberaum und knallte beim Hinausgehen die Metalltüre zu. Die vier Musiker sahen sich verständnislos an.
Zur gleichen Zeit präsentierte der übereifrige Assistent dem Kommissar den Bericht des Gerichtsmediziners. Dass die Opfer verblutet waren, wusste Welsch bereits, das war unschwer zu erkennen gewesen. Aber offenbar hatte nicht nur einer zugebissen! Nicht nur die Halsschlagadern waren durchtrennt worden, die Fotos zeigten auch an den Pulsadern beider Handgelenke sowie an den Innenseiten der Armbeugen die typischen Bisslöcher, die Harald Welsch so gut kannte.
„Die haben echt eine Orgie gefeiert“, murmelte er vor sich hin. Als er den Bericht weiter las, fand er, wonach er gesucht hatte: Beide Mädchen waren zum Zeitpunkt ihres Todes noch unberührt gewesen. Damit erhärtete sich sein Verdacht.
Der Genuss von frischem Blut wirkte bei vielen Neuzeitvampiren im Gegensatz zu dem künstlichen Hämoglobin, das sie von den Regierungen bekamen, wie eine Flasche Wodka auf einen trockenen Alkoholiker. Wenn sich aber allzu viele ihrer Art wieder auf frisches Blut konzentrierten, würden sich die
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