Lux Aeterna (German Edition)
angezogen wie einen Hai, der einen blutigen Köder schon von Ferne riecht.
Noch bevor Xavier hinunter springen konnte, hatte ihn der Vampirfürst von hinten umschlungen. Er rührte ihn nicht an, hielt ihn nur in seinen Armen. Der Junge fing an zu schluchzen. Ein leises, ergebenes „Lass mich“ kam aus seinem Mund. Aber Jason hielt ihn immer noch fest, als der junge Franzose sich umdrehte und ihm um den Hals fiel. Er weinte lange und obwohl von dem starken, geschmeidigen Körper des Vampirs keinerlei Wärme ausging, fühlte sich Xavier zum ersten Mal in seinem Leben geborgen und angenommen.
Die natürliche Anziehungskraft eines Vampirs tat ihr übriges und die Nacht endete in einer kurzen, aber leidenschaftlichen Affäre, die Jason mit seinem Todeskuss abschloss. Er erschuf so eigenhändig seinen späteren Mörder.
Jason hatte – ohne sich dessen bewusst zu sein – eine Art modernen Grenzgängervampir erschaffen, der von vorneherein mit der Gabe der Wandlung versehen war. Grenzgänger waren normalerweise Führungspersönlichkeiten, die verantwortungsbewusst mit ihrer Gabe der Transformation umgehen konnten und wollten. Jason selbst war sich seiner damaligen Fähigkeiten als Fürst der Neuzeitvampire überhaupt nicht bewusst gewesen. Dabei hätte es in seinem Willen gelegen, einen relativ harmlosen Hybriden zu schaffen, ganz einfach, indem er sein Opfer nur biss, anstatt es als Nahrung zu nutzen. Wessen Blut er aber nahm, der wurde sofort zu einem wandlungsbefähigten Vampir. Aber all diese Dinge enthüllten sich ihm erst im Laufe der Zeit und waren ihm damals nicht bewusst.
Zu jener Zeit haderte er viel zu sehr mit seinem eigenen Schicksal. Erst bei seinem späteren Opfer, dem Groupie Diana, die seiner damaligen Band ins Hotel gefolgt war und sich in sein Zimmer eingeschlichen hatte, war ihm klar geworden, welche Macht er bereits besaß und dass sein Biss bereits für eine Transformation genügte, ohne dass ein Blutaustausch erforderlich war. Diana wurde durch einen einmaligen Biss zur Vampirin. Aber da hatte Jason den jungen Xavier längst vergessen.
Allerdings hätte er auch nicht ahnen können, in welcher Weise sich der Charakter des Gefährten verändern würde, nachdem er ihm die Eintrittskarte in die dunkle Welt geschenkt hatte.
* * *
„Abenteuer Großstadt. Genießen Sie Paris in exklusiver und charmanter Begleitung. Individuelles Reisen mit persönlicher Betreuung ganz auf Ihre Wünsche abgestimmt! “
So lautete der Text einer fettgedruckten Kleinanzeige in der Hamburger Morgenpost . Der Inserent war eine Eskortagentur mit dem Namen Surprise de Nuit , was irgendwie aufregend aber auch verrucht klang, fand zumindest Daniela.
Das Ganze wirkte wie eine harmlose Werbung für ein prickelndes Abenteuer – und das war es ja auch. Dantes, als Gründer besagter Agentur, war entschlossen, dieses Geschäftskonzept europaweit auszubauen. Xavier war immer auf der Suche nach dem besonderen Kick. Und seine bevorzugte Speise war mit Adrenalin angereichertes menschliches Blut.
Daniela Neumann, eine Geschäftsfrau in den besten Jahren, Inhaberin einer internationalen Künstleragentur in Hamburg und seit längerer Zeit alleinstehend, hatte keine Lust mehr auf langweilige Kreuzfahrten und Gesellschaftsspiele.
Dort traf man nur auf die ewig gleichen Lebemänner, die es auf ihr Geld abgesehen zu haben schienen. Daniela Neumann fühlte sich überarbeitet und gelangweilt. Aus diesem Grunde kam ihr diese Anzeige gerade Recht. Urlaub hatte sie schon lange nicht mehr gehabt und ein ganz persönlicher Stadtführer, das klang verlockend.
Ihr charmanter Begleiter war Clement Larochelle, ein attraktiver Mittdreißiger mit dem gepflegten Aussehen eines Mannes von Welt. Sie hatte ihn sich aus einigen Vorschlägen der Agentur persönlich ausgesucht. Irgendwie glich er Clark Gable in seinen jungen Jahren, fand sie.
Clement war fürsorglich um die Deutsche bemüht, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, zeigte ihr die Sehenswürdigkeiten aber auch die verborgenen Winkel der Stadt.
Einer der geplanten Ausflüge sollte nachts stattfinden – auf den Friedhof Père Lachaise, wo man die Gräber berühmter Persönlichkeiten besichtigen konnte. Normalerweise war der Friedhof nachts zwar geschlossen, aber für die Agentur würde hin und wieder eine Ausnahme gemacht, hieß es.
Daniela freute sich auf ein angenehmes Gänsehautgefühl an der Seite des gebildeten Franzosen. Sie konnte nicht ahnen, dass ihr
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