Lux Aeterna (German Edition)
vernünftig. Du siehst doch, dass wir dir vertrauen. Wir haben eine gemeinsame Zeit, wenn wir beide es wollen. Aber sie ist begrenzt. Sehr begrenzt, denn du bist sterblich und sollst es bleiben! Wichtig ist doch nur, dass ich mich nicht vor dir zu verstecken brauche, und du weißt, wer und was ich bin.“ Dann nahm er sie fest in die Arme. Celeste weinte still in sich hinein.
Leander verabschiedete sich mit einem kurzen Gruß. Nur gut, dass sie ihr nichts von Xavier und der bevorstehenden Auseinandersetzung erzählt hatten.
* * *
Paris Ende August glühte vor Geschäftigkeit. Überall feierte, lachte und tanzte man, nicht nur in den Touristenlokalen. Auch Jasons Band war inzwischen in Frankreichs Hauptstadt eingetroffen. Zwei Konzerte standen dort in den größeren Clubs auf dem Programm, danach drei Tage Pause, bevor es über Belgien zurück nach Hamburg gehen sollte. Aber außer Celeste und dem Busfahrer dachte niemand an das Ende der Tour.
Auch Xavier war in den letzten Wochen sehr nachdenklich geworden. Er war umgeben von der Einsamkeit eines Despoten. Es war ruhig um ihn geworden. Zwar grüßten die Vampire ihn immer noch mit Respekt, wenn er ausging und unter ihnen weilte, doch sie schienen zu beobachten, abzuwarten. Lady Alderley ruhte schlafend in seinem Gästezimmer, und auch sie schien zu warten. Ein anderer dagegen hatte keine Geduld mehr.
„Wir treffen uns an dem Ort, an dem alles begann, zur gleichen Zeit“ , stand in Jasons geschwungener Handschrift auf dem Zettel, den Xavier am nächsten Tag in seinem Briefkasten fand. Damit konnte wirklich nur er etwas anfangen.
Der Vampirfürst hatte die Brücke ihrer ersten Begegnung als Ort ihrer nächsten und vielleicht letzten Zusammenkunft ausgewählt. Der Vampirprinz beschloss, unbewaffnet zu kommen. Die Einhörner beließ er in ihrem sicheren Versteck. Vielleicht würde es ihm noch einmal gelingen, den Neuzeitfürsten umzustimmen. Andererseits war ihr Verhältnis seit seinem letzten feigen Anschlag auf Jason nicht gerade freundschaftlich zu nennen.
Auch mitten in der Nacht blieb die Hauptstadt ein quirliger, bunt erleuchteter Ort, an dem Menschen wie Vampire ihren Platz hatten.
Zwei davon trafen sich nun ein zweites Mal auf einer rostigen Eisenbahnbrücke, deren Rundbogenpfeiler mit den zahlreichen Nieten ein bizarres Muster aus Schatten warf. Die Brücke war ein Relikt aus den zwanziger Jahren im Art Déco Stil und stand unter Denkmalschutz.
Jason hatte seinen Widersacher schon erwartet. Diesmal versteckte er sich nicht in den Schatten.
Er trug Schwarz, wie die Dunkelheit um ihn herum; T-Shirt, Wildlederhose und ein bodenlanger leichter Sommermantel, der offen im leichten Wind wehte, als er sich langsam auf seinen ehemaligen Gefährten zu bewegte. Es war eine Szene, wie man sie sonst nur bei einem klassischen Showdown sah. Xavier im dunkelroten Sommerhemd und schwarzer Lederhose war eine genau so eindrucksvolle Erscheinung in diesem Bild. Seine blonden Locken waren locker im Nacken zusammengebunden. Zwei dunkle Götter bewegten sich unaufhaltsam aufeinander zu.
Einige Minuten standen sich die beiden einander ebenbürtigen Vampire schweigend gegenüber. Ein frostklarer Blick aus meerblauen Augen traf auf die dunkelbraunen, jetzt wie schwarze Turmaline glänzenden Augen von Jason Dawn.
Der Franzose hatte noch immer keinen Plan. Sollte er seinen früheren Erschaffer noch einmal angreifen? Sollte er um Gnade betteln? Wie begegnete ein Mörder seinem wieder zum Leben erweckten Opfer?
Eine Entscheidung wurde Xavier abgenommen. Erstaunt bemerkte er, dass Jason nicht allein gekommen war. Damit hatte er nicht gerechnet! Aus den Schatten der Eisenpfeiler lösten sich die vier weiteren Schatten seiner Bandmitglieder – Hybridenvampire, wie Xavier sogleich feststellte. Mit einem entschuldigenden Lächeln hob er die Arme. „Jason, diesmal bin ich wirklich unbewaffnet. Ich weiß, dass die Einhörner dich nicht mehr töten könnten.“
„Obwohl man das natürlich nie ganz genau wissen kann“, fügte er noch spöttisch hinzu.
„Dumm für dich“, bemerkte Shane jetzt direkt hinter ihm. Der Gitarrist war einen guten Kopf größer als Xavier. Seine langen, schwarzen Haare umspielten das totenblasse Gesicht wie einen Schleier. „Du hättest immerhin uns damit töten können, das steht fest“, ergänzte er dann zynisch.
Xavier wurde mulmig zumute, denn die Vier umringten ihn nun und zogen den Kreis enger wie damals seine
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