Lux Aeterna (German Edition)
von uns überzeugen könnte, das Gleiche zu tun, bekäme unser Dasein sogar noch einen Sinn. Und denken Sie mal an den gesellschaftlichen Nutzen.“
Kurze Zeit lang herrschte Schweigen am Tisch.
„Was ist mit Tierblut?“, fragte Welsch unvermittelt.
Jason rümpfte die Nase. „Zur Not…“, meinte er, „aber energetisch lange nicht so gehaltvoll wie menschliches Blut.“
„Und wie oft …“ Welsch ließ diese Frage unausgesprochen.
„Das kommt darauf an. Wir können Wochenlang ohne Nahrung auskommen. Aber ich bevorzuge regelmäßige Mahlzeiten, sagen wir – alle zwei Wochen.“
Rita kam sich vor wie bei einer Verhandlung mit dem Teufel. Nervös spielte sie mit dem Weinglas vor ihr auf dem Tisch.
„Das können wir jetzt und hier nicht entscheiden“, sagte Welsch, und auch er fragte sich, ob er gerade seine Seele verkaufte.
„Gut“, sagte Jason, „aber Sie werden bestimmt noch weitere Fragen haben.“ Er lehnte sich zurück und betrachtete die beiden vor ihm wie ein Professor seine Studenten im ersten Semester.
„Sie können sich also am Tag wie bei Nacht frei bewegen“, stellte Welsch fest.
Jason nickte.
„Und was ist mit all diesen anderen Dingen: Weihwasser, Kreuze, Knoblauch?“, fragte der Kommissar weiter.
Jason lachte laut auf. „Kinderkram! Wir könnten sogar im Vatikan ein- und ausspazieren. Gott hat uns längst vergessen! Wir haben unsere eigenen Regeln und Gesetze.“
Welsch dachte daran, dass er gerade einige graue Haare dazu bekam. „Ich nehme nicht an, dass Sie im Dunkeln leuchten oder dass man Sie sonst wie erkennen kann?“
Wieder verneinte Jason. „Wenn Sie uns erkennen, ist es meist zu spät!“
„Sie können auch Gedanken lesen und den Willen von Menschen manipulieren“, fiel Rita in das Gespräch ein.
„Nur wenn diese es zulassen.“
„Spiegelbilder?“, fragte sie weiter.
„Können moderne Vampire genauso telepathisch hervorrufen wie Fotografien.“ Jason beugte sich näher zu Rita. Irgendetwas irritierte sie. Da war wieder dieser Geruch, den sie schon von früher her an ihm kannte.
„Außerdem können wir genauso empfinden wie normale Menschen, nur viel intensiver. Kinder zeugen können wir allerdings nicht.“
Das brachte die hübsche Ermittlerin wieder in Verlegenheit.
Noch bevor sie etwas darauf antworten konnte, ergriff der Kommissar erneut das Wort. „Dann ist alles, was in der Literatur über euch geschrieben steht, Schwachsinn?“
„Das nicht gerade, es bezieht sich nur auf die klassischen alten Vampire. Aber die sterben langsam aus. Sie können sich nicht genug anpassen an diese schnelllebige und technische Welt. Die findet man fast nur noch in den unterentwickelten Ländern.“
Dabei musste der Kommissar an Südamerika denken. Dahin war seine damalige Partnerin verschwunden, nachdem sie zum Vampir wurde.
Jason hatte den Gedanken aufgefangen und wandte sich dem Kommissar zu. „Ja, sie ist noch da. Dieser Richard, dem sie verfallen ist, entstammt einer der älteren Generationen. Er ist ein Grenzgängervampir.“
Das war ein wirklich denkwürdiger Abend für den Kommissar und seine Partnerin.
„Wie alt sind Sie denn eigentlich?“, fragte Welsch aus reiner Neugier.
„Ich wurde erst Neunzehnhundertzwanzig als Vampir geboren“, grinste Jason und wandte sich mit einem Augenzwinkern Rita zu. „Ich hoffe, der kleine Altersunterschied stört Sie nicht!“
* * *
Dieses erste vertrauliche Gespräch mit einem Vampir der Neuzeit warf weitere Fragen auf, aber diese würde Jason erst beantworten, wenn er seinen Handel unter Dach und Fach gebracht hatte, soviel war sicher. Rita und ihr Chef überlegten einige Tage hin und her, bis ihnen die Entscheidung von anderer Seite abgenommen wurde.
Es war nicht der erste anonyme Drohbrief, den der Hauptkommissar erhielt. Aber diesmal schien der Absender es ernst zu meinen. Vom Kollegen Gerhard erfuhr Welsch eines Morgens, dass seine kleine Nichte Anna auf dem Weg von der Schule nach Hause verschwunden war. Die Kleine ging in die Grundschule Bergstedt im Nordosten Hamburgs und brauchte gerade mal zehn Minuten Fußweg nach Hause. Martina Welsch, die Schwester des Kommissars, war allein erziehend und halbtags berufstätig, so dass sie mittags für die Achtjährige kochen konnte. Der Vater war vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Normalerweise begleiteten andere Elternteile die Kinder, doch es kam vor, dass aufgrund des kurzen Weges Anna auch mal alleine gehen musste. An diesem
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