Lux Aeterna (German Edition)
unten. Seit gestern war der Mann, der sie auf dem Heimweg entführt hatte, nicht mehr aufgetaucht.
Zu dieser Zeit waren die Beamten im Hafen ausgeschwärmt, sie befragten die Mannschaften der im Hafen liegenden Schiffe, vor allem die der ausländischen Frachter. Niemand hatte Klaus Hilfrich gesehen. Welsch und Rita hatten sich schließlich bei ihrer Suche getrennt auf den Weg gemacht.
Es war purer Zufall, dass Rita Hold den alten Kahn an einem abgelegenen Pier entdeckte, gerade als sie die Suche schon abbrechen wollte. Der Name des Schiffes war unleserlich, die Farbe längst abgeblättert. Eine Gangway gab es nicht, um auf das Schiff zu gelangen, stattdessen hing eine Strickleiter an der Bordwand. Und genau das machte Rita stutzig. Ohne zu zögern kletterte sie auf den Frachter und begann, sich vorsichtig umzuschauen.
‚Das Ding besteht ja nur noch aus Rost’ , dachte sie. Die Metall-Treppen, die in den Bauch des Schiffes führten, sahen lebensgefährlich aus. Behutsam setzte die Polizeibeamtin einen Schritt vor den anderen, prüfte, ob die nächste Stufe ihr Gewicht aushalten würde. Dabei kam in ihr unweigerlich der Gedanke an eine Diät hoch.
Unten angekommen, fand sie das Schiff schon halb ausgeschlachtet vor. Die Türen zu den einzelnen Kajüten standen weit offen, darin nur die Metallrahmen der Kojen. Die Frachträume ähnelten riesigen, leeren Hallen. Eine fette Ratte lief ihr über die Füße. Rita zuckte zusammen. Die Geräusche hier unten waren ohrenbetäubend, sobald das Metall aneinander rieb. Dadurch wurden ihre Schritte übertönt, aber leider auch alle anderen Geräusche.
Minuten später fand Rita die kleine Anna weinend auf ihren Stuhl gefesselt und eilte zu ihr. Doch noch bevor sie sie losbinden konnte, hörte sie die herrische Stimme von Klaus Hilfrich hinter sich. „Stehen bleiben, junge Frau! Und nehmen Sie die Hände hoch!“
Rita erstarrte und drehte sich dann ganz langsam um. Eine Automatik war auf sie gerichtet. In der anderen Hand hielt der muskulöse Mann mit den ungepflegten, halblangen Haaren einen weiteren Stuhl, den er nun zu Rita hinüber schleuderte.
„Werfen Sie Ihre Waffe weg und setzen Sie sich hin“, forderte Hilfrich sie auf.
Dann fesselte er die Frau mit dünnen Tauen Rücken an Rücken an den Stuhl des Kindes.
„Was soll das? Sie sind doch gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden?“, fragte Rita um einen ruhigen Ton bemüht, um den Verbrecher nicht herauszufordern.
„Klar, und wenn’s nach Ihrem Chef gegangen wär’, säß ich immer noch drin – wegen Mordes!“
„Aber das konnte man Ihnen doch nicht nachweisen!“
„Heißt aber nicht, dass ich’s nicht war!“ Der Typ grinste Rita frech ins Gesicht und stopfte auch ihr ein Taschentuch in den Mund.
„Hier unten findet Sie so leicht keiner. Aber Sie haben ja Gesellschaft beim Verrecken!“ Mit diesen Worten steckte Klaus Hilfrich seine Waffe in den Gürtel und wandte sich zum Gehen.
Rita sah den großen Schatten nur kurz aus den Augenwinkeln, und dann war sie froh, dass das kleine Mädchen hinter ihr die folgende Szene nicht mitbekam: Jason Dawn hatte sich wie ein lautloser Racheengel auf Klaus Hilfrich gestürzt und schlug seine Zähne in die Kehle des Kriminellen.
* * *
„Sie hätten ihn nicht direkt töten müssen“, sagte Rita leise, als Jason sie und das Mädchen losband.
Jason sah sie mit diesem überheblichen Blick an, den sie bereits kannte. „Vielleicht hätten Sie ihn gar nicht erst laufen lassen sollen.“
„Wie haben Sie uns überhaupt gefunden?“, fragte Rita.
Jason lächelte. „Das ist überhaupt kein Problem. Erst recht nicht, seit wir eine so schöne, telepathische Verbindung zu einander haben. Und ich liebe es, sie zu entfesseln!“
Seine arrogante Art konnte sie auf die Palme bringen!
„Trotzdem, danke“, sagte Rita jetzt, und das meinte sie ehrlich. „Wahrscheinlich haben Sie uns beiden das Leben gerettet.“
„Jederzeit zu Diensten!“ Jason verbeugte sich theatralisch vor ihr und verschmolz wieder mit den Schatten im Schiffsrumpf.
Als Rita das kleine Mädchen zurück zu ihrer Mutter brachte, war diese überglücklich. Sie bedankte sich überschwänglich. Kommissar Welsch, der von Rita über Funk informiert worden war, war bereits bei seiner Schwester eingetroffen und dankte seiner Assistentin, indem er sie wortlos an sich drückte.
Soviel Emotion war Rita von ihrem Chef nicht gewohnt. ‚Wahrscheinlich hat er mehr Herz, als er
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