Lux Aeterna (German Edition)
haben Sie diese erreicht?“
Angelina Castillo blickte gemeinsam mit ihm auf das Bild vor ihnen. „Ich verwende unter anderem Pflanzenfarben, die ich aus meiner Heimat mitgebracht habe“, antwortete sie.
Der Professor nickte. „Sehr schön. Sie haben wirklich Talent und Ideen.“
Der Professor ahnte gar nicht, wie viel davon in Angelina schlummerte.
Rita Hold beschäftigte sich dagegen intensiv mit Kunstkatalogen, darunter eine Auflistung aller bisher bekannten Gemälde des Malers Julius van Hooren. Hierbei fiel ihr auf, dass er in seinen frühen Schaffensjahren nicht nur gerne Akte gemalt hatte, sondern dass offenbar eine heißblütige Latina seine damalige Favoritin gewesen war.
Der Kommissar bat seine Mitarbeiterin, mehr über diese Frau herauszufinden, von der allein fünf Bilder existierten, wovon eines allerdings vernichtet werden musste: das im Besitz der verstorbenen Lady Philips.
Rita reiste extra nach Brüssel zur exklusiven Atelierwohnung des Malers in der Hoffnung, vor Ort mehr über dessen schönes Aktmodell zu erfahren. Im Atelier selbst herrschte das pure Chaos. Ein halbfertiges Bild lag noch auf der Staffelei. Es roch nach Terpentin und Ölfarbe. Vergilbte Skizzen hingen überall an den Wänden. Diese Umgebung stand im krassen Gegensatz zu der sonst so gepflegten Erscheinung des Künstlers.
Die betagte Pförtnerin, die Rita hineingelassen hatte, redete ununterbrochen auf sie ein. Dabei kam Rita auch in den Genuss ihres cognacgetränkten Atems.
Allerdings waren Ritas Französischkenntnisse etwas angestaubt, so dass sie sich mit der Concierge mit Händen und Füßen verständigen musste. Sie zeigte der Hausmeisterin die Fotos der besagten Gemälde. Die alte Dame – sie muss mindestens so alt wie dieses Haus sein, dachte Rita – nickte ganz aufgeregt.
Sie versuchte Rita verständlich zu machen, dass es wohl damals mitten in der Nacht einen ziemlich lautstarken Streit gegeben hatte wegen eines Kindes, das die Latina zu dieser Zeit erwartete.
Das Modell hatte offensichtlich längere Zeit in wilder Ehe mit dem Künstler zusammengelebt. Der Maler hatte sie offenbar mit Geld abgespeist und zum Teufel gejagt. Die Alte war immer noch ganz außer sich darüber. Nein, Freunde hatte sich dieser Julius wahrhaftig nicht gemacht.
Bei den Ämtern hatte Rita Hold dann mehr Glück, dort sprach man zumindest Englisch. In den Archiven fand sie den Namen der Latina, Ricarda Castillo, und erfuhr, dass diese wenige Monate nach dem Rauswurf aus dem Atelier in einer ärmlichen Pension am Stadtrand eine Tochter zur Welt gebracht hatte. Sie hielt sich aus Not mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Zwei Jahre später wurde sie mit dem Kleinkind nach Kolumbien abgeschoben. Sie hatte Dutzende von Briefen geschrieben mit der Bitte um Bleiberecht, doch wegen der angeblichen Mittäterschaft an einem kleineren Drogendelikt waren die Behörden unerbittlich gewesen. Sie beteuerte immer wieder ihre Unschuld, doch es gab niemanden, der für sie bürgen wollte, nicht einmal der Vater ihres Kindes.
Es dauerte weitere zwei Wochen, bis Interpol mehr über diese Frau in Erfahrung bringen konnte, allerdings war sie inzwischen verstorben. Sie galt in den Slums von Cartagena als Hexe und Heilerin. Ihre Tochter Angelina hatte sie lange Zeit als Jungen ausgegeben und Angelo gerufen, um sie vor Vergewaltigung und der Brutalität des Bürgerkrieges zu schützen. Alles, was sie besaß, hatte sie ihrer Tochter vermacht, und das musste immerhin genug für einen Flug in die Staaten gewesen sein. Dort hatte die junge Frau dann einige Zeit illegal gelebt und als Hausmädchen gearbeitet. Später heiratete sie einen Amerikaner und war nach dessen Tod mit der amerikanischen Staatsangehörigkeit nach Deutschland gekommen, um hier zu studieren.
‚Kein schönes Schicksal’ , dachte Kommissar Welsch für sich, als er den Bericht von Interpol las. ‚Trotzdem Glück im Unglück für das Mädchen, denn immerhin kann sie jetzt in Frieden leben.’
Aus reiner Neugier wollte Harald Welsch der Studentin einmal einen Besuch abstatten.
Aber Rita brachte ihn auf eine ganz andere Idee. „Chef, ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass diese Angelina Castillo, ehemalige Mrs. Wyatt, ursprünglich aus dem gleichen Land kommt, wie unser kleiner Froschkiller? Es muss ja nichts heißen. Aber wir sollten dieser Spur wirklich nachgehen“, meinte Rita. „Außerdem haben wir nur die eine!“
* * *
Professor Schumann zuckte mit den Schultern.
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