Lux Aeterna (German Edition)
ärmlichen Verhältnissen, aufgewachsen in Pflegefamilien, nach der Schule zu faul, einen Beruf zu erlernen. Im zarten Alter von gerade mal siebzehn Jahren stellte Nicolas fest, dass ältere Damen für die Begleitung durch gut aussehende junge Männer gerne reichlich zahlten. Jetzt, mit zweiunddreißig Jahren, hatte er fast die halbe Welt bereist und eine Menge Lebenserfahrung gewonnen, in erster Linie im Hinblick auf Frauen.
Es war ein leichtes für ihn gewesen, die schüchterne Sarah zu beeindrucken, vor allem durch den Halbkaräter an ihrem Ringfinger, was aber seine einzige Investition in diese Beziehung sein würde. Auch seine Schwiegermutter zeigte sich beeindruckt von dem weltgewandten jungen Mann, der auf großem Fuße lebte, während der Vater der Braut wohl naturgemäß ein gewisses Misstrauen ihm gegenüber hegte. Da hatte er es zuletzt mit der reichen Witwe in Buenos Aires sehr viel leichter gehabt. Leider hatte diese ihre eigene Hochzeit nicht mehr erlebt. Allerdings erst, nachdem er ihr Vermögen um gut zwei Drittel erleichtert hatte. Wie gesagt, Nicolas Kerner verfügte über einiges an Lebenserfahrung!
So dauerte es auch nicht einmal ein Jahr, bis die Lebensversicherung, wie auch Sarahs Testament auf ihn als Alleinerben umgeschrieben war. Der Treuhandfond, den Sarahs Großvater hinterlassen hatte, war ebenfalls nicht zu verachten.
Kurz vor Silvester fasste Nicolas Kerner einen Plan. Zeit, ein neues Leben zu beginnen.
Die Straßen draußen waren spiegelglatt. Der rostige lange Nagel im rechten Vorderreifen war so platziert, dass auch der schwere Geländewagen nur wenige Kilometer weit kommen würde. Sarah wollte an diesem Freitagabend mit ihren Freundinnen in den Golfclub zu einer Benefizveranstaltung. Mühsam kratzte sie die vereisten Scheiben frei und ließ den Motor warm laufen.
„Fahr vorsichtig, mein Schatz“, hatte Nicolas ihr noch zugerufen.
Zwei Stunden später identifizierte er seine Frau im Leichenschauhaus.
* * *
Nach einer angemessenen Trauerzeit und einem ebenso angemessenen Anstieg seines Kontostandes hatte Nicolas Kerner ein Auge auf die extravagante Schauspielerin Sybille Meinhard geworfen.
Vierzehn Jahre älter als er, aber immer noch durchaus anziehend, hatte diese rassige Frau nicht nur zwei gescheiterte Ehen auf ihrem Konto, sondern auch einen siebenstelligen Betrag. Und genau darauf hatte es der Hochstapler diesmal abgesehen.
Bei der Generalprobe ging es wie immer laut und hektisch zu. Sybille Meinhard war einem Nervenzusammenbruch nahe. Wie immer hatte sie gestern Abend etwas zu viel getrunken.
‚Dass diese Regisseure immer so schreien müssen!’ , dachte sie und hielt sich den Kopf mit beiden Händen.
„Darf ich Ihnen ein Aspirin anbieten?“, fragte eine sanfte Stimme hinter ihr.
Erstaunt blickte sie sich um und sah in zwei strahlend blaue jungenhafte Augen in einem attraktiven Männergesicht mit zwei ebenso attraktiven Grübchen. Der Mann hielt bereits ein Glas Wasser und eine Tablette in der Hand.
Mit der gewohnten Grazie einer Schauspielerin nahm sie beides entgegen.
„Ich habe Sie hier noch nie gesehen“, stellte sie fest.
„Stimmt. Mein Name ist Nicolas Kerner und ich erwäge, ins Filmgeschäft einzusteigen. Deshalb sehe mich erst einmal im Theater ein bisschen um.“
„Oh, ein Mäzen.“ Sybille war beeindruckt.
„Nicht nur, offen gestanden, bin ich auch ein großer Fan von Ihnen.“ Nicolas verbeugte sich höflich.
Ein solches Kompliment hatte man der alternden Schauspielerin lange nicht mehr gemacht. Und so wurde aus dem höflichen Geplänkel eine feste Verabredung zum Abendessen. Der Rest war ein Kinderspiel. Mit der ihm eigenen Akribie und Raffinesse betrieb Nicolas seine Recherchen über die jeweils „Auserwählte“. Außer einem gelegentlichen, oder besser gesagt, regelmäßigen Glas zuviel konnte er aber bei Sybille nur eine Allergie feststellen. Das war nicht viel. Doch genug, um in seinem Gehirn einen perfiden Plan reifen zu lassen! Wenige Wochen später konnte er diesen in die Tat umsetzen.
* * *
Der Nachtwächter war empört und schrie die anscheinend obdachlose Schlafende vor dem Tigerkäfig an. Doch die rührte sich nicht. Lag wohl an der leeren Flasche Tequila neben ihr. Hermann, der schnauzbärtige Aufseher, beugte sich runter und rüttelte die Frau.
„Gnädigste, steh’n ’se ma uff, oder woll’n se mir die Tiger verjiften?“ Seine Herkunft war unverkennbar. Gnädigste lag auf dem Bauch
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