Lux Aeterna (German Edition)
Wochenende Zeit haben…“, erwiderte der Kommissar schulterzuckend. Seiner Meinung nach konnte kein normaler Mensch soviel Blut gebrauchen.
„Möchten Sie nicht mitkommen?“, schlug Rita vor. „Sie würden bestimmt eine gute Figur machen so als mittelalterlicher Knappe.“
Welsch schnaubte verächtlich.
In einem Gewölbekeller unter einem Lokal in der Speicherstadt fand an jedem ersten Samstag das öffentliche Treffen der Rollenspieler statt, an dem auch Gäste zugelassen waren. Es herrschte ein buntes, fast folkloristisches Treiben mit Musik und kleinen künstlerischen Darbietungen. Das ganze war ein lockeres Beisammensein. Im Zentrum des Kellers stand eine lange Holztafel, umrahmt von ein paar kleineren Einzeltischen. Auf einer selbst gezimmerten Bühne baten die Spielleute zum Tanz. Rita trug einen langen braunen Wildlederrock und eine lindgrüne Bluse mit weiten Ärmeln. Ihr halblanges Haar hatte sie aufgesteckt und mit hübschen Silberkämmen verziert. Mit einem silbernen Becher mit Rotwein in der Hand beobachtete sie die Menschen um sich herum, die für eine Zeit lang ihren Alltag in einer anderen Zeit und in einer anderen Persönlichkeit vergessen wollten. Dabei fiel ihr ein ziemlich großer, schlanker Mann aus in einem langen, dunkelgrünen Gewand mit Goldverzierung, der sie immer mal wieder ansah.
Die langen, blonden Haare hatte er zu einem Zopf gebunden und seltsam kühle, suchende Augen in seinem schmalen Gesicht streiften umher. Ritas Blick war auf seinen Ring gefallen, als er nach einem frischen Becher Met griff. Er trug das Zeichen, das die Opfer gebrandmarkt hatte.
Just in diesem Augenblick spürte die Ermittlerin zwei Hände auf ihren Schultern. „Halt dich von ihm fern. Der Kerl ist gefährlich“, flüsterte eine sanfte, wohlbekannte Stimme in ihr Ohr.
Sie fuhr herum und sah in Jasons tiefbraune Augen. Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug einen breiten Gürtel aus Leder und Nieten. Das Outfit erinnerte an seine früheren Auftritte als Rockstar. „Was machst du denn hier?“, flüsterte sie, obwohl es gar keinen Grund dafür gab.
Jason lächelte. „Dein Boss hat mir von deinem kleinen Ausflug erzählt. Ich hoffe du hast noch niemandem das Foto gezeigt?“
Rita schüttelte den Kopf.
„Komm mit“, Jason drängte sie in eine Nische hinter einer Säule. Eine Hand stützte er an die Wand und verdeckte die Frau mit seinem Körper, so dass ein unbeteiligter Betrachter an ein Liebespaar denken musste.
„Der Kerl, den du da im Auge hast, beobachtet dich. Der gehört zwar nicht zur Gilde, aber er arbeitet für sie. Er ist ein sogenannten Leftover, ein gebissener, aber nicht gewandelter Mensch.“
Während er seine Erklärung in ihr Ohr flüsterte, nahm er den zarten Rosenduft auf ihrer Haut wahr. Wie unbeabsichtigt streifte seine Wange durch die kastanienbraunen Locken. Jasons unerwartete körperliche Nähe verwirrte Rita und wieder rief ihr Herz nach mehr. Für den Vampir klang dies wie eine dumpfe Trommel tief im Dschungel, die ihn lockte. Er nahm Rita nun ganz in seine Arme, und die angenehme Kühle seiner Haut konnte sie durch ihre Kleidung hindurch spüren. Er hatte sie schon einmal so gehalten, damals am Hafen. Ohne dass es ihr bewusst war, hielt auch sie den jungen Vampir umschlungen. Dieses stumme Vertrauen zwischen ihnen war ihr unerklärlich. Er genoss das Rauschen des Blutes in ihren Adern, das er wie einen reißenden Strom wahrnahm. Wenn er nicht kurz zuvor getrunken hätte….
Rita konnte über seine Schulter sehen, dass der Mann in dem grünen Gewand das Lokal mit einer kleinen dunkelhaarigen Elfe verließ. Rita wollte sich losreißen, um dem Paar zu folgen, aber Jasons übernatürliche Kraft hielt sie fest.
„Lass ihn. Du kannst sie nicht retten“, flüsterte er wieder in ihr Ohr und seine Lippen berührten den heftig klopfenden Puls an ihrem Hals. Das brachte die sprachlose Ermittlerin fast um den Verstand. Zitternd blieb sie in Jasons Armen, während die Nacht dort draußen ein neues Opfer fand.
* * *
Dr. David seufzte, als er die junge Tote auf seinen Tisch bekam. Zwei Stunden später hatten Rita Hold und Kommissar Welsch seinen Bericht auf dem Tisch. Rita blickte schuldbewusst auf das Foto. Sie erkannte die Kleine von gestern Abend. Evelyn Graf, zweiundzwanzig, älter war sie nicht geworden. Zögernd erzählte sie Welsch von ihren Beobachtungen. Der nickte nur mit einem mürrischen Gesichtsausdruck.
„Sie gehen jetzt die Fotos aller unserer
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