Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
»Lukas« bedeutete.
57.
Ben betrat den Petersdom durch eine der Seitenpforten. Touristen und
Pilger spazierten, beeindruckt von der architektonischen wie geistlichen Pracht, in der gigantischen Kirche herum. Apsis und Kapelle der
Cattedra waren für einen Gottesdienst abgesperrt, ein Teil der
Beichtstühle, an denen alle gängige Sprachen gesprochen wurden, war
mit Beichtvätern besetzt.
Ben schenkte weder der Apsis noch den gewaltigen Grabmälern der
Päpste seine Aufmerksamkeit. Am Hochaltar kniete er kurz nieder.
Etwas abseits vom Papstaltar, am Eingang zu den Grotten, blieb er
stehen und hielt nach Catherine Ausschau. Kardinal Ciban hatte er an
diesem Tag nicht mehr zu Gesicht bekommen. Am Ende hatte er seinen
Bericht deshalb in einem versiegelten Umschlag im Sekretariat für den
Präfekten hinterlegt und sich zu dem Treffen mit Catherine aufgemacht.
Ben blickte sich weiter in der riesigen Peterskirche um. Von Catherine
fehlte jede Spur. Als er seine Suche fast schon aufgeben wollte, obwohl
er nicht glauben konnte, dass sie ihn versetzt hatte, erblickte er in der Nähe eines der Beichtstühle eine füllige Nonne mit Hornbrille und einem
Blumenstrauß, die unbeholfen auf ihn zuwatschelte.
»Suchen Sie Schwester Catherine, Pater?«
»Ja, Schwester. Können Sie mir sagen, wo sie ist?«
Die füllige Nonne runzelte die Nase, wobei Ben die fürchterliche Warze
in ihrem Gesicht auffiel. Waren das etwa zwei Haare, die da aus der
Warze hervorlugten? Es kostete ihn einiges an Willenskraft, sich von
dem Anblick zu lösen.
»Ich soll Ihnen mitteilen, dass Schwester Catherine bereits hier ist.«
»Und wo bitte?« Er sah sich unauffällig um.
»Direkt hier. Vor Ihnen«, antwortete Catherine leise mit ihrer eigenen
Stimme.
»Was?« Sein Blick schnellte zurück und musterte die entstellte Nonne
von oben bis unten. »Du?«
Catherine lachte leise. »Kardinal Ciban hat mir die Kostümierung
besorgt, damit ich im päpstlichen Haushalt nicht so viel Aufsehen
errege.« Sie warf einen vielsagenden Blick durch die riesige Domhalle.
»Interessanter Treffpunkt.«
»Es wird gleich noch viel interessanter.« Ben öffnete die Tür zu den
Grotten. »Es gibt hier einen Zugang zum Petrusgrab, der der
Öffentlichkeit verwehrt ist. Dort können wir in einer unterirdischen
Kapelle ungestört reden.«
Die junge Frau wusste, dass es ohne das Petrusgrab nie einen Petersdom
gegeben hätte. Die Kuppel des Doms sowie der Hochaltar mit Berninis
Baldachin erhoben sich genau über der Nekropole mit dem Petrusgrab.
Sie stiegen mehrere enge, steinerne und schlecht beleuchtete Treppen in
die Tiefe hinab, bis sie einen niedrigen Tunnel mit rauen
Backsteinwänden betraten. Catherine folgte Ben vorsichtig an einigen
schweren Eisentoren vorbei, die seitlich abgehende Gänge sicherten.
Vermutlich führten die meisten der Seitentunnel zu dem alten römischen
Friedhof, der unter dem Petersdom lag. An einem der inoffiziellen
Eingänge machte Ben schließlich Halt, öffnete eine der Eisentüren und
führte seine Begleiterin in einen überraschend großen, höhlenartigen
Raum, der einer unterirdischen Kapelle glich. Ein verborgenes Licht
tauchte den Raum in einen unwirklichen Dämmerschein. Am Rande
dieses Halbdunkels konnte Catherine zwei Kirchenbänke stehen sehen.
»Wir befinden uns ganz in der Nähe des Petrusgrabes«, erklärte Ben und
deutete auf eine der nackten, mit dünner Tünche gestrichenen Wände. Er
stellte die Tasche, die er mitgebracht hatte, auf der hinteren der beiden Bänke ab.
»Wie läuft es so zwischen dir und dem Papst?«
»Gut. Seine Heiligkeit ist ein sehr umgänglicher Mensch. Nur leider
verliere ich mit jedem Tag mehr von Benellis Energie, und ich bin mir
nicht sicher, inwieweit meine eigene zum Schutz des Papstes reicht. Was
haben deine Ermittlungen in Kalkutta ergeben?«
»Du weißt davon?«
Catherine nickte. »Seine Heiligkeit hat einen Schwächeanfall erlitten, als Schwester Silvia starb. Ich habe es unmittelbar gespürt. Und dann
Kardinal Ciban gefragt.«
»Natürlich.« Er verstand. »Die Verbindung, die Benelli zwischen dir und
Seiner Heiligkeit hergestellt hat. – Was machen deine Träume? Sind Sie
immer noch so – abstrus?«
»Sie könnten nicht verrückter sein. Sogar dein Chef hat mich bei einem
meiner Tagträume erwischt.« Sie erzählte von ihren Visionen, von ihrer
Begegnung auf dem Ölberg mit Judas Ischariot, von ihrer Teilnahme am
letzten Abendmahl, vom
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