Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
dem Büro eines
erkrankten Kollegen auf den Flur hinaus und um die nächste Ecke
zurück in sein eigenes Arbeitszimmer, als auch schon ein Trupp der
Vigilanza von der anderen Seite her aus dem Aufzug auftauchte und den
kleinen Raum im ersten Stock des Apostolischen Palastes stürmte.
Der Monsignore setzte sich rasch an seinen eigenen Schreibtisch, auf
dem es vor lauter Akten so aussah, als hätte er die ganze Zeit hart
gearbeitet und sich nicht von der Stelle gerührt.
Das war verdammt knapp gewesen. Zu knapp. Dabei hatte er noch nicht
einmal ansatzweise herausgefunden, was er anonym über den Rechner
seines erkrankten Kollegen hatte in Erfahrung bringen wollen. Was
steckte hinter diesem verflixten »Lukas«? Warum hatte dieses Weichei
Hawlett den jungen Priester in der Lux-Datenbank danach suchen
lassen? Da der junge Priester während seiner Ermittlungen darauf
gestoßen war, musste »Lukas« irgendetwas mit deRossis Aufträgen zu
tun haben. Mit der Mission des Meisters.
Es klopfte an seine Tür.
»Herein!«, sagte er, ohne sich seine innere Unruhe anmerken zu lassen.
»Entschuldigen Sie die Störung, Pater«, sagte der eintretende
Vatikanpolizist. »Ist Ihnen in den letzten Minuten irgendetwas
Verdächtiges aufgefallen?«
DeRossi blickte mit müden Augen von seinen Akten auf. »Bitte? Wie
kommen Sie darauf, dass mir hier irgendetwas Verdächtiges aufgefallen
sein könnte?«
»Ist jemand über den Flur gerannt?«
DeRossi schüttelte den Kopf. »Ich habe diesen Raum den ganzen
Morgen nicht verlassen.«
»Wer arbeitet normalerweise in dem Büro auf der anderen Seite des
Flurs, gleich neben dem Aufzug?«
»Monsignore Bloch. Wieso?«
»Haben Sie den Monsignore heute schon gesehen?«
»Nein.« DeRossi deutete auf den Aktenberg. »Entschuldigen Sie bitte,
ich habe wirklich eine Menge Arbeit vor mir. Wenn Sie möchten, kann
ich Monsignore Bloch jedoch etwas ausrichten, sobald ich ihn sehe.«
»Danke, Pater. Aber das wird nicht nötig sein.«
Der Vatikanpolizist verließ das Büro des Monsignore und schloss die
Tür hinter sich. DeRossi ließ die Luft aus seinen Lungen entweichen und
lehnte sich in seinem Sessel zurück. Die Vigilanza war schneller hier
gewesen, als er erwartet hatte. Offensichtlich bestand ein sehr guter
Draht zum Lux. Oder aber die Vatikanpolizei war noch von Abels
Einbruch in die Lux-Datenbank auf der Hut. Seine Miene entspannte
sich wieder. Jetzt würde es erst einmal Bloch an den Kragen gehen, und
dann würde sich die Spur des Spions im Nichts verlieren. Nun gut, der
Versuch, etwas über »Lukas« herauszufinden, war misslungen, aber er
hatte schließlich noch andere Dinge zu tun.
Er fischte eine der Akten aus dem Wirrwarr auf dem Tisch, die niemand
dort vermutet hätte, hätte er von ihrer Existenz nicht gewusst. Der Hefter beinhaltete alles, was er über Schwester Thea und ihre Gewohnheiten
wissen musste. Die Leiterin des vatikanischen Internetbüros hatte einen
recht beeindruckenden Lebenslauf für eine Frau. Wie deRossi im
Rahmen seiner Recherchen außerdem festgestellt hatte, hatte sie auch ein außergewöhnliches Hobby, das sie unter Pseudonym ausübte. Schwester
Thea zeichnete liebend gerne Karikaturen mit ironischen Kommentaren,
und dabei hatte sie nicht einmal vor Kardinälen wie Gasperetti oder
Ciban Halt gemacht – oder gar dem Papst. Selbst Innozenz war Opfer
einer ihrer brillantesten Arbeiten auf diesem Gebiet gewesen. Die
Karikatur zeigte einen heroischen Papst auf einem der sieben Hügel
Roms, der ein riesiges Banner mit seinem päpstlichen Wappen
schwenkte und dabei aus voller Kehle schrie: »Folgt mir!« Tatsächlich
folgten ihm jedoch nur eine Handvoll Prälaten, während der Rest der
Glaubensgemeinschaft in die entgegengesetzte Richtung strömte, in die
Zukunft.
Ihren Gewohnheiten gemäß hatte deRossi Schwester Thea heute früh in
den vatikanischen Gärten gesehen, zusammen mit dieser unheiligen
Rebellin Schwester Catherine, über die die Glaubenskongregation zu
Gericht saß. Vor der Grotta di Lourdes hatten die beiden Frauen verharrt, als hätten sie eine leibhaftige Erscheinung gesehen. Nun denn, sowohl
Schwester Thea als auch Schwester Catherine hatten eine rege Phantasie.
DeRossi blickte auf die Uhr. Die Hälfte seines Zeitfensters war bereits
vorbei, und sein Plan, die Leiterin des Internetbüros zu beseitigen, war noch immer nicht ganz ausgereift. Wenn er doch wenigstens schon
herausgefunden hätte, was
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