Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Ausspruch
wiedergegeben hat.«
Catherines Augen wurden groß: »Power tends to corrupt, and absolute
power corrupts absolutely – Macht korrumpiert, und absolute Macht
korrumpiert absolut.«
Der Papst nickte. »Nicht einmal der Himmel ist dagegen gefeit. Sehen
Sie sich nur mal an«, er machte eine Geste, die sowohl den Vatikan als
auch die gesamte Welt umfasste, »was diese Macht schon alleine unter
diesen ›kontrollierten Bedingungen‹ erschaffen hat!«
Catherine holte tief Luft und überlegte, ob jener Teil aus ihren Visionen lieber unerwähnt bleiben sollte, doch dann ließ sie die Katze aus dem
Sack: »Judas hat Gott nie vertraut.«
»Ich weiß. Ebenso wenig wie Luzifer.« Dann musterte der Papst
Catherine, als überlege er, ob die junge Nonne, die gerade erfahren hatte, dass sie in Darius und Benellis Fußstapfen getreten war, schon für eine
weitere Wahrheit bereit war. Doch im letzten Augenblick entschied er
sich dagegen und sagte stattdessen: »Der Mörder weiß um die Namen
der Abgesandten. Er kennt sogar ihre Kraftorte.«
»Kraftorte?«
»Jener Lieblingsort, an dem ein Apostel meditiert, um seine
Kraftreserven zu erneuern. Dort wurden die Morde jeweils verübt. Es
scheint, als hätten wir einen Verräter unter uns.«
Catherine starrte ihn an.
»Zumindest ist das Kardinal Cibans Theorie. Nun denn, ich kenne zwar
die Identitäten der noch lebenden Abgesandten, aber ich bin kein
medialer Mensch. Ich kann nicht den Hauch eines Schattens in der
Verbindung zwischen den Boten Gottes und mir erkennen.« Er blickte
die junge Frau neugierig an. »Was ist mit Ihnen, jetzt, da Sie
gewissermaßen ein Teil der Verbindung sind?«
»Es gibt keinen Verräter unter den Zwölf«, erklärte Catherine fest.
»Sind Sie … sicher?« Der Papst blickte sie hoffnungsvoll an.
»Ich kenne ihre Identitäten zwar auch nicht, aber ich hätte es seit der
Verbindung mit Seiner Eminenz Kardinal Benelli gespürt, Heiligkeit.
Benelli hätte es zudem wahrgenommen, wenn dem so wäre. Wer immer
den Bund zerstören will, indem er die Abgesandten ermordet, hat sein
Wissen um deren Namen und Aufenthaltsorte nicht von einem der
Zwölf.«
Leo legte die zitternden Hände auf den Globus und schien unendlich
erleichtert zu sein. »Genau das hatte ich gehofft, Catherine. Denn wenn
es anders gewesen wäre … Gütiger Himmel, ich fürchte, dann hätten wir
keine Chance. Dann wären wir …« Er brach mitten im Satz ab, taumelte,
stürzte gegen den alten Globus und riss ihn polternd mit zu Boden.
Catherine, die den Tod ebenfalls deutlich gespürt hatte, kämpfte gegen
ihre eigene Ohnmacht an, schleppte sich zu Leo, hob ihre zitternde Hand, berührte sein bleiches Gesicht und öffnete seine Augen, um zu sehen, ob
er trotz des Zusammenbruchs noch immer am Leben war.
Er atmete!
Sie merkte genau, wie ihre noch von Kardinal Benelli verbliebene
Energie in ihn hineinströmte, wie diese Energie ihn belebte und ihm das
Bewusstsein wiedergab. Doch sie wusste auch, der Papst, der gleich
erwachte, würde nicht mehr der Leo sein, mit dem sie gerade noch über
den Bund der Zwölf gesprochen hatte. Dieser Papst würde erheblich
schwächer sein.
Genauso wie sie selbst.
68.
Monsignore deRossi hatte den Vatikan über einen unterirdischen
Geheimgang verlassen, der unterhalb des im dreizehnten Jahrhundert
angelegten Passettos verlief und ebenfalls zur Engelsburg führte. Der
Meister hatte ihm diesen Plan gegeben und ihm für die alten Türen aus
Holz und Eisen die entsprechenden Schlüssel besorgt. Schließlich kannte
er den Untergrund des Vatikans besser als die Archäologen.
Ursprünglich hatte die Engelsburg unter Kaiser Hadrian im zweiten
Jahrhundert als Mausoleum gedient, bis später dann verschiedene Päpste
das massive Bauwerk zur Burg umbauen ließen. Den Namen Engelsburg
verdankte die Anlage hingegen einer Vision Papst Gregors I., der im Jahr 590, als in Rom die Pest wütete, über dem Mausoleum die Erscheinung
des Erzengels Michael sah, der das Ende der Pest verkündete. Ab dem
zehnten Jahrhundert diente das Bauwerk in erster Linie als Zufluchtsort
für den Heiligen Vater. Ein etwa achthundert Meter langer Fluchtweg,
der Passetto, verband seither die Engelsburg mit dem Palast der Päpste.
Die Mauern der Engelsburg bargen jedoch noch ganz andere
Geschichten. So diente sie irgendwann auch als Verlies und
Folterkammer der Inquisition. Einer der berühmtesten Gefangenen war
einst Galileo Galilei.
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