Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
untersucht, die selbst das Tun der Jesuiten in den Schatten
stellt und eigentlich die Kontrolleure kontrollieren sollte, inzwischen zu viel Macht in sich vereint.« Ciban begegnete ihrem Blick. »Sie selbst
haben dem Institut und dem Orden angehört, Catherine. Sie haben den
Orden inzwischen verlassen, weshalb ich davon ausgehe, dass Sie
nachvollziehen können, wovon ich spreche.«
»Aber Sie sind der Chef der vatikanischen Sicherheit.«
Der Präfekt zuckte mit den Achseln. »Ich tue, was ich kann, aber mein
Vorgänger hat die Zügel wohl etwas zu sehr schleifen lassen. Und Seine
Eminenz Kardinal Gasperetti – wie Sie sich erinnern, steht er dem Lux
unmittelbar vor – ist äußerst vorsichtig in seinem Treiben, seit ich im
Amt bin.«
»Wie stand Pater Darius mit ›Lukas‹ in Verbindung?«, wollte Catherine
wissen.
Ciban runzelte die Stirn. »Sie meinen, ob er aktiv oder passiv war? –
Schwester, er war Ihr Mentor! Er hat viele Projekte des Instituts geleitet und zum Erfolg geführt.«
»Auch ›Lukas‹?«, fragte Ben.
»›Lukas‹ ist streng geheim und geht weit über das Apostelmysterium
hinaus.«
Die junge Nonne konnte nicht anders, als ein kurzes, schmerzhaftes
Lachen ausstoßen. »Verzeihen Sie, aber nach allem, was Ben und ich in
den letzten Tagen erlebt haben … Was könnte schon über das
Apostelmysterium hinausgehen?«
»Vielleicht geben Ihnen Ihre Visionen eines Tages die Antwort«, meinte
Ciban ernst. Dann fügte er hinzu: »Soweit ich weiß, befinden sich in
›Lukas‹ die Profile und Forschungsresultate von medialen Menschen,
deren Begabung weit über das Maß eines durchschnittlich hochbegabten
Medialen hinausgehen. Darius’ Profil dürfte in dieser Datenbank
gespeichert sein, ebenso wie das von Kardinal Benelli. Und vermutlich
auch das Ihre, Schwester.«
Catherine starrte den Kardinal an. Die Worte für eine Erwiderung
blieben ihr buchstäblich im Halse stecken.
Ben räusperte sich. »Mal etwas anderes, Eminenz. Könnte der Mörder
über ›Lukas‹ von den Identitäten der Apostel erfahren haben?«
»Möglich. Allerdings ist das nicht sehr wahrscheinlich.«
»Weshalb?«
»Das Lux ist nicht über die Identitäten der Apostel informiert. Ebenso
wenig wie ich. Allein die Namensliste aller Spiritualen wäre viel zu
komplex, um daraus auf die Abgesandten zu schließen. Hinter jedem
Namen könnte praktisch ein Apostel stehen.«
Der Papst, der sich mit jeder Minute zu erholen schien, sagte schwach:
»Schwester Catherine ist sich sicher, dass es keinen Verräter unter den
Aposteln gibt.«
Anstatt Erleichterung zu zeigen, verdüsterte Cibans Miene sich. Für
einen Moment schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete, wandte er
sich der jungen Frau zu. »Eigentlich sollte ich über Ihre Feststellung
erleichtert sein. Tatsächlich haben wir dadurch jedoch nun ein anderes,
viel weltlicheres Problem, und das früher, als mir lieb ist.«
Ein viel weltlicheres Problem? Was meinte Ciban wohl damit?
Sein Handy klingelte. Er nahm das Gespräch an. Coelho war am anderen
Ende der Leitung und bestätigte Catherines Eingebung. Theas Leichnam
war an der Grotta di Lourdes geborgen, der Tatort unauffällig gesichert
und dokumentiert worden.
»Es wartet viel Arbeit auf uns, Ben«, sagte der Präfekt. Dann wandte er
sich Catherine und dem Papst zu. »Ich werde Monsignore Rinaldo
herschicken. Wenn Sie uns bitte entschuldigen wollen.«
70.
Der Tag hatte sich besser entwickelt, als der Meister zu hoffen gewagt
hatte. Der sechste Apostel war tot. Der Papst hatte einen neuerlichen
Zusammenbruch erlitten, wenn auch keinen ganz so starken wie erhofft.
Nun stand ein Bote vor ihm, dessen Mitbringsel ihm sogleich offenbaren
würde, was es mit der neuen Küchennonne im päpstlichen Haushalt auf
sich hatte. Es hatte allerdings eines gewissen Nachdrucks bedurft, um
Monsignore Massini letztendlich zum Reden zu bringen.
»Danke. Sie können jetzt gehen.«
Nachdem der Bote gegangen war, öffnete der Meister den versiegelten
Umschlag und nahm ein ebenfalls versiegeltes Dossier heraus. Als er die
Akte öffnete und sein Blick auf die erste Seite mit der Fotografie fiel, hielt er für einen Moment den Atem an.
Catherine Bell!
Wie klein die Welt doch war!
Der Meister überflog das Dossier, blieb kurz an dem einen oder anderen
Punkt hängen: Chicago, Grundschule für medial Hochbegabte, Darius,
Corona, das Institut, die Georgetown University in Washington, das
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