Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
wie ich es während der Verhöre zugelassen habe.
Doch dummerweise ließen sich die Reminiszenzen an Thea nicht so
einfach abstellen, ebenso wenig die Trauer und der Schmerz. Theas
liebenswerter, mutiger Brief tauchte wieder in Catherines Erinnerung
auf, dann das erste persönliche Kennenlernen im vatikanischen
Internetbüro und ihr ermutigender Zuspruch während der Spaziergänge
durch die vatikanischen Gärten …
Sie stockte.
Was hatte der Heilige Vater während ihres Gesprächs vorhin noch
gesagt? »Der Mörder weiß um die Namen der Abgesandten. Er kennt
sogar ihre Kraftorte.«
»Kraftorte?«, hatte Catherine gefragt. Noch nie zuvor hatte sie von
solchen Orten gehört.
»Jener Lieblingsort, an dem ein Apostel meditiert, um seine
Kraftreserven zu erneuern. Dort wurden die Morde jeweils verübt …«,
war die Antwort des Papstes darauf gewesen.
Mein Gott, konnte es sein? Aber natürlich! Es lag sogar regelrecht auf
der Hand!
Sie blickte Ciban an, der noch immer vor ihr in der Hocke saß, und
sagte: »Ich glaube, ich weiß, wo wir Schwester Thea finden werden.«
»Du kennst den Tatort?«, entfuhr es Ben.
»In der Grotta di Lourdes.«
Der Präfekt musterte sie zweifelnd. »Sind Sie sicher, Schwester?«
»Dort hat sie oft gebetet. Es war ihr Lieblingsort im Vatikan.« Sie blickte von Ciban zum Papst, der in diesem Moment begriff, was sie meinte.
Wie es schien, hatte der Kardinal noch nie von den Kraftorten gehört.
»Sie haben Recht, Catherine«, sagte der Papst. »An ihren Lieblingsorten
erneuern die Abgesandten ihre Kraftreserven. Darius, Silvia … sie alle
sind an ihren Lieblingsorten zu Tode gekommen.«
Ohne die Angelegenheit weiter zu hinterfragen, zog Ciban sein Handy
unter der Robe hervor, wählte über die Kurzwahltaste eine Nummer und
setzte sich mit dem Kommandanten der Vigilanza in Verbindung.
Nachdem er seine Instruktionen erteilt hatte, erklärte er: »Coelho weiß, was zu tun ist. Sollte Schwester Theas Leichnam tatsächlich bei der
Grotta gefunden werden, wird er uns umgehend informieren.«
Catherine zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass der
Vigilanzakommandant sein Handwerk verstand. Vor allem das der
Vertuschung. Thea würde vermutlich nach der offiziellen Version des
Vatikans einem Herzleiden erlegen sein, ebenso wie Darius offiziell bei
einer Bergwanderung ums Leben gekommen war. Letztendlich griff hier
das gleiche Räderwerk ein, das schon 1998 zielstrebig verhindert hatte,
dass der Mord an dem Kommandanten der Schweizergardisten Alois
Estermann und seiner Frau hatte aufgeklärt werden können. Angeblich
hatte ein junger Soldat die beiden in einem Anfall von Wahnsinn getötet, als Rache für eine vorenthaltene Auszeichnung. Doch es gab zu viele
Widersprüche. In Wahrheit glaubte niemand an diese Version.
Andererseits war es bis heute niemandem gelungen, Licht ins Dunkel
dieses Falles zu bringen.
Ob Ciban das wahre Mordmotiv kannte? Soweit Catherine wusste, hatte
damals Kardinal Monti als Präfekt der Glaubenskongregation unter Papst
Innozenz die Vatikanische Sicherheit geleitet. Monti hatte wenige Jahre
darauf auch dafür gesorgt, dass Catherine ein Fall für die
Glaubensbehörde geworden war. So vermutete sie, dass einzig ihre
außergewöhnliche Gabe sie bisher davor bewahrt hatte, nicht schon unter
Innozenz auf dem sprichwörtlichen Scheiterhaufen verbrannt worden zu
sein. Selbst nach ihrem Austritt aus dem Lux Domini hatte sich die
Glaubenskongregation zunächst einmal vornehm zurückgehalten.
»Eminenz«, sagte Ben behutsam. »Da wir nun schon mal hier auf den
Rückruf des Kommandanten warten, wäre dies nicht eine gute
Gelegenheit, über ›Lukas‹ zu reden?«
Catherine hörte das erste Mal, wie Ciban aus tiefster Seele seufzte.
»Ich kann Ihnen nicht mehr erzählen, als ich Ihnen bereits gesagt habe,
Ben. Wir alle hier in diesem Raum wissen, dass die Kirche ihre medial
hochbegabten Mitglieder genau beobachtet. Das tut sie nicht erst seit
gestern. Papst Johannes XXIII. hat seit den Sechzigern versucht, Sorge
dafür zu tragen, dass auch die Kontrolleure kontrolliert werden. Doch
leider wurde das meiste dessen, was er initiiert hat, nach seinem Tod und dem zweiten Vatikanischen Konzil untergraben.«
Catherine, die mehr als hellhörig geworden war, fragte: »Und das
bedeutet?«
»Das bedeutet, dass ein progressiver Orden wie das Lux Domini, eine
religiös-wissenschaftliche Organisation, die spezielle Menschen und
Phänomene
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