Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Aber nicht nur das. Wie es aussah, stand
sie im Apostolischen Palast auch noch unter Cibans Schutz, was
wiederum erklärte, warum der Prozess sich derart verschleppte.
»Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken, Nicola. Auch Schwester
Thea und Pater Darius haben über erstaunliche Fähigkeiten verfügt.«
Mit einem grimmigen Lächeln erinnerte der Meister sich an die
Begegnung mit Catherine auf Benellis Empfang. Er konnte nicht
leugnen, dass ihm die Frau in gewisser Weise imponierte. Sie war klug,
attraktiv und arrogant. So hatte sie seine Warnung nicht wirklich ernst
genommen und ihm in seinem Leben schon einige Male gehöriges
Kopfzerbrechen bereitet, ebenso wie Darius. War es nicht Ironie des
Schicksals, dass ausgerechnet diese Ketzerin seine Vorliebe für die
Sixtinische Kapelle teilte, wie er einmal beiläufig von Darius erfahren
hatte, als dieser ihm in der Sixtina begegnet war?
»Dann ist sie also das nächste Ziel?«
Der Meister bedachte deRossi mit einem wissenden Lächeln. »Von nun
an ist sie das Ziel schlechthin. Sobald wir sie beseitigt haben, ist der Weg frei. Allerdings müssen wir dabei bedacht vorgehen. Äußerst bedacht.
Wie Sie gesehen haben, lebt sie zurzeit als Schwester Bernadette im
Apostolischen Palast und gehört zum Stab des päpstlichen Haushalts. Es
wird mehr als schwierig sein, an sie heranzukommen.«
DeRossi dachte einen Moment lang nach, blätterte in dem Dossier und
schenkte dem Meister und sich dann etwas Wein nach. »Ich glaube, ich
hätte da eine Lösung.«
Der Meister horchte auf. »Und die wäre?«
»Es gibt im Vatikan einen Mann, dem Schwester Catherine
bedingungslos vertraut.«
Der Meister musterte seinen Protegé neugierig. Seine Eminenz Kardinal
Ciban konnte er wohl kaum meinen. Dann dämmerte ihm, worauf sein
Gegenüber hinauswollte: »Hawlett!«
DeRossi schlug das Dossier zu. »Er wird mich noch heute zu Catherine
führen, ohne dass er davon weiß.«
»Noch heute?«
»Das Überraschungsmoment.«
»Wie genau wollen Sie das anstellen?«
Der Monsignore erklärte dem Meister seine Idee, und daraus entwickelte
sich ein Plan, derart kurz und prägnant, dass er, so unmittelbar nach der letzten Mission, äußerst erfolgversprechend klang.
Der Diener kam herein und kündigte zur Überraschung des Meisters
einen weiteren Boten an. Der junge Mann, der den Raum schließlich
betrat, überreichte ihm einen kleinen versiegelten Umschlag, ehe ihn der Diener wieder hinausgeleitete.
Der Meister brach das Siegel und förderte einen weiteren Umschlag
zutage. Erst als er dessen Siegel brach, zog er die Kopie einer Akte und eine alte Farbfotografie heraus. Die Aktenkopie stammte aus dem Archiv
eines katholischen Waisenhauses. Das Foto zeigte ein schlafendes Baby
im Arm einer Nonne. Daneben stand ein freundlich in die Kamera
lächelnder Priester: Pater Darius. Der Meister betrachtete das Bild wie
hypnotisiert. Dann drehte er es um und las die mit Kugelschreiber
verfasste Notiz auf der Rückseite: 11. Februar 1977, Catherine.
Was für eine Offenbarung! Und was für eine Chance!
Dieses Foto konnte eine Waffe sein!
Zu deRossis Erstaunen betrachtete der Meister die Aufnahme, die der
zweite Bote gebracht hatte, mehrere Minuten lang. Er schien wie
besessen davon zu sein. Dann sagte er: »Mein lieber Nicola, ich hätte da noch eine kleine Ergänzung für Ihren Plan.«
71.
Ben und Ciban saßen bei einem starken Kaffee im Büro des Kardinals
zusammen und sahen sich die Akte mit den Tatortfotos an, die Coelho
ihnen ergänzend ausgehändigt hatte. Es war später Nachmittag, und sie
hatten die Nacht so gut wie nicht geschlafen. Nach dem Vorfall im
Apostolischen Palast hatten sie sich den Tatort mit Theas Leiche über
eine ziemlich katastrophale Videoaufzeichnung angesehen – da die
Stelle, um Aufsehen zu vermeiden, nicht hatte direkt ausgeleuchtet
werden können – und schließlich ein neues Täterprofil erstellt. Bis auf
die Tote und die Fotos hatten sie kein Beweismaterial. Das war alles,
was ihnen im Augenblick zur Verfügung stand, denn inzwischen war
längst wieder Leben in den Vatikan eingekehrt. Zumindest hatte Coelho
die Grotta di Lourdes durch das geschickte Vortäuschen einer
Renovierungsaktion weiterhin vor den überall herumlaufenden Gärtnern
und neugierigen Touristen abschirmen können. Die restlichen Spuren
waren aber vermutlich schon verwischt.
»Er muss über den Zugang zur Tiefgarage an Schwester Thea
herangekommen
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