Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
nicht.«
»Welche Alternative? Offen gestanden, ich kann Ihnen nicht ganz
folgen, Eminenz.« Ben begriff, welch hohe Auszeichnung es war, dass
Ciban sich anschickte, ihn überhaupt so weit in seine Gedanken
einzuweihen.
Der Kardinal kehrte zum Besprechungstisch zurück, reichte Ben die
dampfende Kaffeetasse und ließ seinen Blick scheinbar gleichgültig über
die Karte wandern. »Dass Papst Innozenz die Apostel an einen seiner
Getreuen verraten hat.«
72.
Es war kurz vor achtzehn Uhr, als der Bote das Buchpaket in
Monsignore deRossis kleines, elegantes Appartement in Trastevere
brachte. Das Netzwerk des Meisters funktionierte wieder einmal
ausgezeichnet. DeRossi nahm das Paket dankend entgegen, gab ein
großzügiges Trinkgeld und packte den Inhalt in der so gut wie nie
genutzten Küche aus. Nachdem er das Füllmaterial entfernt hatte, stellte er fest, dass, wer immer die Sendung präpariert hatte, einen ziemlich
unangemessenen Sinn für Humor hatte, denn darin befand sich eine in
Folie eingeschweißte, antiquarische Ausgabe von Peyrefittes Die
Schlüssel von Sankt Peter .
DeRossi nahm das Buch mit ins Wohnzimmer und schaltete den
Fernseher ein. Während er die aktuellen Nachrichten verfolgte, entfernte er die nahezu unzerreißbare Folie und schlug den Buchdeckel auf. Auf
den ersten Blick war nichts Besonderes an dem Band zu bemerken. Erst
als er die nächsten einhundert Seiten auf einmal umschlug, offenbarte
Peyrefittes Werk, dass der Buchblock ausgehöhlt worden war, als
handelte es sich um eine originelle Zigarrenkiste. Das Werk selbst
interessierte deRossi gar nicht, vielmehr kam es ihm auf den
wohlverpackten Inhalt an, auf das kleine technische Gerät, das darin
verborgen lag.
Hastig holte deRossi das Handy heraus, entfernte die Folie, in die es
eingeschweißt worden war, und überprüfte seine Funktionsweise, in dem
er damit seinen eigenen Festnetzanschluss anrief. Wie erwartet klingelte das alte, verkabelte Telefon in der kleinen Diele einmal kurz. Als
deRossi sich sicher war, dass alles so funktionierte, wie es sollte, lehnte er sich in seinem Fernsehsessel zurück. Er würde damit lediglich einen
einzigen weiteren Anruf tätigen – nur dafür war dieses kleine, technische Wunderwerk präpariert worden.
Zufrieden nahm er einen Schluck von dem schwarzen Kaffee, den er
sich, kurz bevor der Bote gekommen war, zubereitet hatte. Dass der
Kaffee inzwischen lauwarm war, störte ihn nicht. Es kam ihm einzig auf
die Wirkung an. Es würde eine lange Nacht werden.
73.
Es war später am Abend. Die Nonnen und Leo hatten sich längst auf ihre
Zimmer zurückgezogen. Auch Catherine war zunächst auf ihr entferntes
Zimmer zurückgekehrt, hatte ihre Verkleidung abgelegt und versucht, an
ihrem neuen Buch zu arbeiten. Doch sie hatte sich bei allem Bemühen
nicht auf den Stoff konzentrieren können, den Laptop heruntergefahren
und war zum päpstlichen Dachgarten spaziert. Vielleicht vermochte sie
später ins Schreiben zu finden. Im Augenblick war jedenfalls nicht daran zu denken.
Unterwegs gingen ihr die Ereignisse des letzten Tages noch einmal durch
den Kopf. Eine halbe Stunde nachdem Ben und Ciban gegangen waren,
war Monsignore Rinaldo im Wohnraum des Papstes erschienen und hatte
beiden Gesellschaft geleistet. Der Präfekt hatte ihn – bis zu einem
gewissen Grad – eingeweiht und schien ihn gut instruiert zu haben, denn
er hatte seine Arbeit getan, ohne auch nur eine einzige Frage zu stellen.
Leo war inzwischen weiter zu Kräften gekommen. Es war erstaunlich,
wie sehr Benellis und Catherines Energie ihn belebten. Keinem
Außenstehenden wäre aufgefallen, dass der Papst in Wahrheit
empfindlich geschwächt war.
Am Morgen war Catherine dem Heiligen Vater dann in seiner
Privatkapelle begegnet. Als sie seine Anwesenheit bemerkt hatte, wollte
sie sich sofort leise zurückziehen, doch er hatte ihre Gegenwart gespürt und sie gebeten zu bleiben, um mit ihr reden zu können.
»Wie gut haben Sie Darius gekannt, Heiligkeit?«, fragte Catherine
schließlich. Sie wollte etwas mehr über ihren Ziehvater erfahren.
»Nicht so gut wie Sie, Catherine. Ich habe ihn nur zweimal getroffen.
Das erste Mal bei meiner Einweihung in der Sixtinischen Kapelle. Er hat
die Zeremonie geleitet und die Verbindung zwischen mir und den
Aposteln hergestellt. Das zweite Mal sind wir uns auf Castel Gandolfo
begegnet, wo er mit mir über die Gefahren meiner Politik für die Kirche
gesprochen hat.
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