Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
in den nächsten Tagen auf gar
keinen Fall verlassen«, sagte Massini leise. »Das Böse ist mitten unter
uns.«
»Das Böse war schon immer mitten unter uns, Pater.«
Eine merkwürdige Ausstrahlung ging von Massini aus. Er war
totenbleich.
»Das mag sein, doch ich fürchte, Ihre Verkleidung wird Sie schon bald
nicht mehr schützen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Man hat sich nach der neuen Nonne im päpstlichen Haushalt
erkundigt.«
»Wer ist man ?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, es steht mit den Morden in Verbindung.«
»Haben Sie schon mit Kardinal Ciban darüber gesprochen?«
»Nein, noch nicht. Ich dachte mir, es ist wichtiger, erst einmal Sie
darüber zu informieren. Hören Sie, ich kenne die tieferen Hintergründe
dieser mörderischen Geschehnisse nicht, und ich will sie auch gar nicht
kennen, aber ich spüre ganz deutlich, dass Sie eines der nächsten Opfer
sind. Die folgenden Tage werden entscheidend sein. Für Sie und Seine
Heiligkeit!« Mit diesen Worten erhob Massini sich und eilte davon, ohne
sich noch einmal zu ihr umzudrehen.
Catherine verstand die Welt nicht mehr, denn im Grunde hatte der Pater
ihr nichts Neues offenbart, sondern nur das Offensichtliche. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück und fuhr den Laptop hoch, um weiter an ihrem Buch
zu schreiben. Doch außer ein paar kraftlosen Sätzen ohne tieferen Sinn
und Zusammenhang brachte sie nichts zustande. Mein Gott, wie sie
Darius vermisste, und Thea. Wie einsam sie sich fühlte.
Ihr Handy klingelte. Es war Bens Nummer. Voller Freude nahm sie das
Gespräch an. »Ja?«
»Ich bin’s, Ben. Wie Rinaldo uns mitgeteilt hat, geht es Seiner Heiligkeit schon wieder besser?«
»Das kann man so sehen«, sagte Catherine. Die Stimme ihres Freundes
klang ein wenig belegt. »Seine Heiligkeit arbeitet schon wieder den
ganzen Tag.«
»Und, wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen?«
»Ich hatte gerade ein ziemlich merkwürdiges Gespräch mit Monsignore
Massini. Ich glaube, er dreht langsam durch, was meine Sicherheit und
die des Heiligen Vaters angeht.«
»Möchtest du mit mir und Seiner Eminenz darüber reden? Ich untersuche
gerade noch einmal den Tatort, und wenn ich ehrlich bin, könnte ich
deine Hilfe brauchen.«
»Das wäre schön. Gerne, Ben.«
»Wenn du möchtest, komme ich dir auf halbem Weg entgegen.«
»Danke. Aber das wird nicht nötig sein.«
»Bis gleich!«
Catherine legte auf, schlüpfte in festere Schuhe, zog sich ein
Kapuzengewand über und eilte hinaus auf den Gang. Es würde ihr
guttun, mit Ben und Ciban über das merkwürdige Zusammentreffen mit
Massini auf der Dachterrasse zu reden. Irgendetwas stimmte da nicht.
Als sie den Flur zur Hintertreppe passierte, sah sie, dass im
Arbeitszimmer des Papstes noch Licht brannte. Sie erinnerte sich an das
Versprechen, dass sie Ciban gegeben hatte, ihn oder Leo stets darüber zu informieren, wenn sie den Apostolischen Palast verließ.
74.
Ben hatte nichts anderes erwartet. Wenn er Cibans Miene richtig
einschätzte, so hatte der Kardinal sich auch nicht wirklich etwas davon
erhofft. Die Vigilanza hatte weder in der Tiefgarage noch in dem
geheimen Gang, der unter dem Apostolischen Palast entlanglief und
inzwischen ständig überwacht wurde, irgendwelche Spuren in
Zusammenhang mit dem Mord entdeckt. Es war, als hätte Schwester
Thea an der Grotta di Lourdes ein Geist aufgelauert, der sich im Nu
materialisierte, um ihr rasch das Genick zu brechen.
Ciban betrachtete zum x-ten Mal die Fotos, die den Tatort und die nähere Umgebung aus jeder denkbaren Perspektive zeigten. Auch sah der
Präfekt sich noch einmal das Video an, das so unterbelichtet war, dass er es auch gleich hätte bleiben lassen können.
Ben atmete tief durch und dachte wieder über Cibans Offenbarung nach,
darüber, dass der verstorbene Papst Innozenz seine Kongregation an
einen seiner Mitstreiter verraten haben könnte, damit seine Politik auch nach seinem Pontifikat weiterbestand. Zumindest wurde die Liste der
möglichen Täter damit überschaubar. Laut Ciban waren es gerade einmal
sieben Männer, die in Frage kamen, und von denen waren zwei
inzwischen verstorben. Dummerweise bestand jedoch auch die
Möglichkeit, dass keiner dieser Kandidaten am Ende der Täter war.
Womöglich gehörte der Mörder sogar zu Innozenz’ weltlichem
Freundeskreis, vielleicht sogar zum weltlichen Freundeskreis des Opus
Dei.
Am Ende hatte der Präfekt die Liste der Verdächtigen auf
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