Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Als wir durch die Gärten von Castel Gandolfo streiften,
redete er auch über Sie, Catherine, über Ihren Prozess, und er bat mich, ein Auge auf Sie zu haben. Sie waren für ihn wie eine Tochter. Er hätte
alles getan, zu Ihrem Schutz.«
»Ihm allein verdanke ich es, dass ich das Lux verlassen konnte.«
Leo gestattete sich ein Lächeln. »Ich erinnere mich. Ich habe Kardinal
Gasperetti noch nie so schwitzen sehen. Nur habe ich es damals als
Kardinal nicht mit Ihrem Fall und Darius in Verbindung gebracht. Mein
Gott, es scheint mir eine Ewigkeit her zu sein.«
Catherine zögerte, dann sagte sie: »Darius hat nie von seiner Familie
oder von seiner Freundschaft zu Kardinal Benelli gesprochen. Nun
verstehe ich, weshalb.«
»Es ist nicht leicht, ein Apostel oder eine Apostelin zu sein. Nichts darf an die Öffentlichkeit dringen, nicht einmal die eigene Familie weiß
darüber Bescheid.«
»War es ein großer Schock für Sie, von dem Geheimnis zu erfahren,
Heiligkeit?«
Der Papst dachte kurz nach. »Wissen Sie, Catherine, ich hätte
zurücktreten können, doch das wollte ich nicht. Ich wollte unbedingt die Politik von Johannes XXIII. und Johannes Paul wieder aufnehmen und
weiterführen, nach all dem Schaden, den Innozenz der Kirche zugefügt
hat. Die Abgesandten haben mir dafür ihre Unterstützung zugesagt.«
»Dieselben Abgesandten, die zuvor Papst Innozenz unterstützt haben?
Entschuldigen Sie, Heiligkeit, aber das ergibt für mich keinen Sinn.«
»Auch Apostel sind Menschen und sterben. Während Innozenz’ langem
Pontifikat sind zwei seiner Apostel eines natürlichen Todes gestorben.
Ihre Energien sind also nicht sofort verloren gegangen, sondern von den
anderen Aposteln aufgenommen worden. Erst nach meiner
Inthronisierung hat man die beiden freien Apostelstellen neu besetzt. Es gibt also durchaus einen gewissen Spielraum.«
»Aber wie können jene Apostel, die zuvor Innozenz geholfen haben,
danach eine ganz andere Politik unterstützen?«
»Es geht den Aposteln in erster Linie um den Erhalt der Kirche. Ich
könnte mir vorstellen, sie haben Innozenz unterstützt, sein Amt zu
bewältigen, ihn aber gleichzeitig auch in seinem traditionalistischen Tun gebremst. Ich versichere Ihnen, mein progressives Vorgehen lenken die
Aposteln ebenfalls in weniger zerstörerische Bahnen. Doch selbst das
scheint dem Mörder noch immer nicht genug.«
»Das klingt nicht gerade nach freiem Willen.« Andererseits, überlegte
Catherine, habe ich nie den Eindruck gehabt, dass Darius mich
manipuliert hat. Das hätte ich sofort gespürt.
Der Papst hatte lächelnd den Kopf geschüttelt. »Durch meine
Verbindung mit den Zwölf habe ich nicht nur ein höheres Bewusstsein,
sondern auch eine tiefere Einsicht in all das bekommen, was zerstören
kann.« Er hatte kurz innegehalten. »Glauben Sie mir, Catherine, selbst
mit dem Willen zum Guten liegt darin eine unglaublich große
Versuchung …«
Macht und Versuchung. Ein Thema, so alt wie die Menschheit.
Catherine erreichte den Dachgarten, und ihre Gedanken kehrten von der
Begegnung mit Leo in die Gegenwart zurück. Sie setzte sich auf die
Bank und ließ den Blick über die prachtvollen exotischen Pflanzen
gleiten, als sie bemerkte, dass sie nicht alleine war. Monsignore Massini stand am Balkon und blickte in Gedanken versunken über das
Vatikangelände. Er sah müde, ja ausgezehrt aus. Die letzten Tage und
Nächte hatten ihm wohl ganz schön zugesetzt.
Als er sie bemerkte, drehte er sich zu ihr um. »Ich hatte gehofft, Sie hier zu treffen, Schwester.« Er kam auf sie zu, dunkle Ringe unter den
Augen, einen Schweißfilm auf dem Gesicht, und setzte sich neben sie.
Es schien, als trüge er eine Tonnenlast auf seinen zusammengesunkenen
Schultern. Catherine konnte sich nicht erinnern, ihn je so unsicher und
fieberhaft erlebt zu haben, als litte er Höllenqualen.
»Verzeihen Sie meine Offenheit, Pater, aber Sie sehen nicht gut aus. Sie brauchen Schlaf, vielleicht sogar einen ärztlichen Rat.«
Massini lächelte. Es war ein seltsam resignatives Lächeln. »Nicht jetzt, Schwester. Nicht solange Sie und der Heilige Vater in solcher Gefahr
sind.«
Catherine hätte nicht gedacht, dass Theas Ermordung ein solch
furchtbarer Schock für den Pater darstellen könnte. Andererseits war
inzwischen klar, dass die Morde von nun an nicht mehr nur irgendwo
dort draußen in der Welt passierten, sondern hier, mitten im Vatikan.
»Sie sollten den Apostolischen Palast
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