Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Jahre gewusst!
Einen Augenblick lang herrschte absolute Stille. Nur die Figuren in den
Gemälden bewegten sich, als wollten sie ebenfalls auf die Fotografie
schauen. Überall Bewegung, und doch stand die Zeit still.
»Pater Darius hat Sie benutzt. Sie und Ihre Pflegemutter. Von Anfang
an!«, stellte Monti verächtlich fest. »Ich biete Ihnen die Wahrheit, nicht die Lüge, Catherine. Ich verschleiere nichts. Ich kann Ihnen helfen, Licht in Ihre Vergangenheit zu bringen. Vergessen Sie den Pater, und geben
Sie diese unselige Verbindung mit Leo auf. Folgen Sie stattdessen mir.«
Die junge Frau sah benommen von der Fotografie auf und schüttelte den
Kopf. »Sie übler Mistkerl!« Monti hatte Unrecht. Er versuchte sie zu
manipulieren, auf seine Seite zu ziehen. Sie hatte Darius seit ihrer
Kindheit gekannt. Sie hatte ihn besser gekannt als jeden anderen
Menschen, sogar besser als ihre Mutter und Ben. Sie hatte seine Seele
gesehen, und diese Seele war gut. Niemals hätte Darius sie benutzt.
Wenn er sie über ihre Herkunft im Unklaren gelassen hatte, dann hatte er einen Grund dafür gehabt. Er war ein Apostel!
»Zusammen werden wir den Himmel erobern«, sagte Monti ernst.
»Sie sind wahnsinnig!«
Der Kardinal schüttelte nachsichtig den Kopf. »Nicht ich, diese Welt ist wahnsinnig, Schwester. Doch Sie und ich, wir gemeinsam können diesen
Wahnsinn durchbrechen.«
Es gelang Catherine nicht länger, die Tränen zurückzuhalten. »Niemals!«
Monti musterte sie einen Augenblick enttäuscht. »Sind Sie sicher?«
Catherine antwortete nicht.
»Dann haben Sie Ihre Wahl getroffen. Schade. Wirklich schade. Ich
hatte gehofft, Sie würden verstehen. Ich hätte Ihnen so viel mehr geben
können.«
Der alte Kardinal gab deRossi ein Zeichen.
82.
Ben war wie der Teufel über die nassen, rutschigen Grünanlagen der
vatikanischen Gärten gerannt, bis er auf der Höhe des Palazzo del
Governatorato auf eines der zweisitzigen, überdachten
Elektro-Golfmobile gestoßen war, die innerhalb des Vatikangeländes
anstatt vollwertiger Wagen als rasche und alltägliche
Fortbewegungsmittel benutzt wurden. Um kein Aufsehen zu erregen,
ließ er die Scheinwerfer aus, bis er mit dem fast lautlosen Golfmobil zu einem der Nebeneingänge der Sixtina gelangt war. Im Innern der Gänge
und Vorräume des Gebäudes herrschte nahezu Dunkelheit.
Als er den Vorraum zur Kapelle betrat, stellte er zu seinem Entsetzen
fest, dass die beiden Schweizergardisten, die hier eigentlich hätten
Wache halten sollen, bewusstlos auf dem Marmorboden lagen. Einer der
beiden hielt noch immer seine Hellebarde umklammert. Etwas weiter
entfernt, innerhalb der Kapelle, hörte Ben Stimmen, ohne jedoch das
Gesagte zu verstehen. Er war sich jedoch sicher, dass die eine Stimme zu Catherine gehörte.
Während sein Blick über die beiden Bewusstlosen glitt, wurde ihm klar,
dass er – obwohl ein vatikanischer Agent – überhaupt keine Waffe bei
sich trug. Wie hatte er annehmen können, gegen einen Mörder wie
deRossi unbewaffnet antreten zu können? Es war sogar sehr
wahrscheinlich, dass der Monsignore eine Waffe bei sich trug. Ein
Messer. Eine Pistole. Irgendetwas.
Er beugte sich zu einem der Gardisten hinunter und begann diesen zu
durchsuchen. Üblicherweise trug die Schweizer Garde neben der
traditionellen Bewaffnung, der Hellebarde und dem Schwert, auch eine
SIG 75, wie sie die Schweizer Armee seit 1975 als Dienstpistole
benutzte. Ben, der des Öfteren mit den Mitgliedern der Schweizer Garde
und der Vigilanza trainiert hatte, kannte sich mit der SIG 75 bestens aus.
Für spezielle Fälle gehörte zur Ausrüstung der Gardisten sogar ein
Pfefferspray. Er fand beim ersten Gardisten zwar sofort das Pfefferspray, jedoch keine SIG. Also huschte er zu dem anderen Gardisten hinüber,
während aus der Sixtina nur noch eine einzige Stimme erklang. Die
Stimme eines Mannes, eines älteren Mannes, wie er vermutete. Der
Mann schien ziemlich aufgeregt zu sein.
Bei dem zweiten Gardisten entdeckte Ben schließlich die erhoffte SIG
und nahm sie an sich. Bewaffnet mit Pistole und Pfefferspray schlich er
sich vorsichtig in die Kapelle bis zum Durchgang des Chorgitters,
während er Catherine sagen hörte: »Sie übler Mistkerl!«
»Ich biete Ihnen die Wahrheit, nicht die Lüge, Catherine. Vergessen Sie
den Pater und geben Sie diese unselige Verbindung mit Leo auf. Folgen
Sie stattdessen mir. Zusammen werden wir den Himmel erobern.«
Ben hielt den
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