Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
durchlebte sie Teile ihrer Vergangenheit. Ihre
Geburt. Ihre leibliche Mutter konnte sie allerdings nicht sehen. Dann die Adoption durch ihre Pflegemutter, die von ihrer Gabe nichts wusste. Die
erste Begegnung mit Darius in der Grundschule in Dr. Beverly Florenas
Büro, wobei sie erkannte, dass Darius von Anfang an für sie so etwas
wie ein Vater gewesen war. Die Jahre im Institut, die Zeit in Rom, ihre
weitere mentale Ausbildung im Lux Domini. Stets war der Pater an ihrer
Seite gewesen und hatte sie gelehrt, ein selbstbewusster Mensch zu sein
und mit ihrer Gabe umzugehen.
Weitere Gestalten tauchten neben Darius auf: Kardinal Benelli, Thea,
Silvia, Isabella und Sylvester. Doch sie sahen irgendwie anders aus als
noch zu Lebzeiten. Um sie herum schimmerte ein unbeschreibliches
Licht. Catherine spürte die unglaubliche Zuneigung, die von ihnen allen
ausging.
Es war Benelli, der schließlich sagte: »Es tut mir leid, dass ich dir so viel Kummer bereiten musste, Catherine. Aber ich habe keinen anderen Weg
gesehen, um ihn aufzuhalten. Luzifers dunkle Schwingen haben Monti
verborgen. Erst als er erkannt hat, wer du bist, ist er ins Licht getreten.
Nur mit dir gemeinsam konnten wir ihm die Stirn bieten. Die
unglaubliche Kraft deiner Gabe hat dich zu meiner Nachfolgerin
gemacht. Doch es war viel zu gefährlich, dich von Anfang an
einzuweihen.«
Mit einem Mal wurde Catherine klar, was Benelli gemeint hatte, damals
in der Kapelle der Villa während des Empfangs, als er ihr davon
berichtet hatte, dass Darius ihn in ihre Gabe eingeweiht hatte und dass
die Anschläge in Wahrheit niemand Geringerem als Papst Leo galten.
Der Kardinal hatte von jener besonderen Gemeinschaft gesprochen, die
mit dem Papst verbunden war. Kurz darauf hatte er sich auf dem
Empfang geopfert, damit sie sein unmittelbares Erbe antreten konnte und
um sie stark für ihre Mission zu machen.
Sie beobachtete, wie Thea, die sich neben Benelli und Darius befand, zu
Ben hinüberglitt und ihn berührte, um die Blutung zu stillen. Catherine
hatte den Eindruck, über all dem Geschehen zu schweben und in jeden
noch so verborgenen Winkel der Sixtina zu sehen. Bens Aura gewann
augenblicklich an Kraft.
Thea kehrte zu den anderen Aposteln zurück und erklärte: »Wir können
nicht länger warten. Es ist an der Zeit.«
Darius strich Catherine noch einmal über die Wange, dann ließ er ihre
Hand los und zog sich mit den übrigen Spiritualen zum Altargemälde
zurück, wo sie sich um Jesus und die Heilige Maria versammelten.
Inzwischen schienen auch deRossi und Monti wahrzunehmen, dass
irgendetwas Außergewöhnliches vor sich ging. So spürte Catherine wie
der Monsignore seinen Griff ein wenig lockerte und hörbar nach Luft
schnappte, während auch der greise Monti nach Atem rang. Die
Atmosphäre in der Kapelle lud sich wie unter einem schweren Gewitter
auf. Es war, als brannte die Luft. Als atmeten sie alle Feuer.
In ihrem Geist hörte Catherine Darius’ Stimme: »Hab keine Angst, mein
Kind. Dies ist der Moment der Wahrheit. Dies ist der Moment, in dem
das Gleichgewicht wiederhergestellt wird. Ich werde immer mit dir
sein!«
Himmlisches Licht glitt am Dach der Sixtina entlang und schoss
plötzlich aus allen Wänden auf die Apostel und Catherine zu. Die
Apostel sahen plötzlich aus wie wunderschöne Todesengel, deren Auren
in Schwarz und Gold loderten. Das Licht bündelte sich schließlich in der jungen Nonne und ließ ihre Aura wie eine Sonne lodern.
Dann löste sich ein armdicker Energiestrahl aus Catherines Aura und traf Monti mitten auf die Brust. Die Haut unter der Robe zischte, als hätte
jemand ein Brandeisen darauf gedrückt. Der alte Kardinal schrie auf,
krümmte sich wie im Wahn und fiel mit einem grässlichen Schrei und
blutigem Schaum vor dem Mund auf die Knie. Er hatte sich vor Schmerz
in die Zunge gebissen. DeRossi, der wie in Trance danebenstand und
weder das Licht noch die Apostel bemerkte, roch lediglich das
verbrannte Fleisch und sah wie die Augen seines Meisters schwarz wie
Öl wurden, als dieser sich wie ein Irrer auf dem Boden herumwälzte und
wirres Zeug brabbelte, während er auf das Deckengemälde starrte und
den Verstand verlor.
DeRossi ließ Catherine augenblicklich los, beugte sich völlig fassungslos über Monti und versuchte diesem zu helfen. Die junge Frau rannte
augenblicklich zu Ben hinüber, der wie leblos und zur Seite gekrümmt
auf dem Marmorboden in einer Blutlache lag.
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