Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Atem an. Monti! Sergio Kardinal Monti! Der ehemalige
Präfekt der Glaubenskongregation! Er war der Hintermann, von dem
Ciban gesprochen hatte. Und der Jüngere, der dicht hinter Catherine
stand, musste Monsignore deRossi sein!
»Sie sind wahnsinnig!«, hörte Ben Catherine sagen. Ihre Stimme klang
fest, doch sie schien unter Schock zu stehen. Sie stand da, als hätte Monti ihr alle Lebensenergie entzogen.
»Nicht ich, diese Welt ist wahnsinnig, Schwester. Doch Sie und ich, wir
gemeinsam können diesen Wahnsinn durchbrechen.«
»Niemals!«
»Sind Sie sicher?«
Ben konnte nicht sagen, ob Catherine antwortete.
»Dann haben Sie Ihre Wahl getroffen. Schade. Wirklich schade. Ich
hatte gehofft, Sie würden verstehen. Ich hätte Ihnen so viel mehr geben
können.«
Der alte Kardinal gab deRossi ein Zeichen, worauf dieser noch näher an
Catherine herantrat und seine Hände in Richtung ihres Halses hob.
Himmel! Ben hätte keine Sekunde später kommen dürfen!
»KEINE BEWEGUNG!«, schrie er, die SIG 75 im Anschlag, und trat
durch den Eingang der kunstvollen Chorschranke. Seine Stimme hallte
wie ein elektronisch verstärktes Echo durch den Raum.
83.
Catherine stand wie betäubt da, mit dem Foto in der Hand, völlig hilflos, als Monti das Zeichen gab, doch dann hörte sie Bens Stimme wie einen
Donnerschlag, der von den Wänden der Kapelle widerhallte.
»KEINE BEWEGUNG!« Ben hatte eine Pistole in der Hand und hielt
diese auf deRossi gerichtet. Noch nie hatte Catherine ihn mit einer Waffe gesehen. »Lassen Sie die Schwester augenblicklich los!«
Doch deRossi tat das genaue Gegenteil. In Sekundenschnelle hatte er
Catherine gepackt, sie als menschlichen Schutzschild benutzt und ihr
eine Pistole an die Schläfe gedrückt.
Verdammt! Es musste die Waffe des einen Gardisten sein, fuhr es Ben
durch den Sinn. Dieser Mistkerl war auf die gleiche Idee gekommen wie
er.
DeRossi stieß ein verächtliches Lachen aus. »Warum so aufgebracht,
Pater? Zur falschen Zeit am falschen Ort?« Im nächsten Augenblick
richtete er die Waffe auf Ben und drückte ab.
Ben hatte sich immer gefragt, wie es wohl sein musste, von einer
Neun-Millimeter-Kugel getroffen zu werden, und nun spürte er im
Augenblick nichts weiter als einen scharfen, brutalen Stoß. Er sackte auf die Knie, tastete nach der Wunde … ein Bauchschuss! Der Monsignore
blickte ihn voller Genugtuung an, als er wie ein gefällter Baum
vornüberkippte und sich nicht mehr regte.
»Ben!« Catherine wollte sich von deRossi befreien, doch er hielt sie fest im Griff. Während sie nach ihm schlug und trat, wobei ihr die Fotografie entglitt und zu Boden segelte, ging Monti auf den in seinem Blut
liegenden Monsignore zu und applaudierte ihm in gespielter
Überlegenheit. Catherine kochte vor Wut. Sie hätte deRossi und den
alten Kirchenfürsten auf der Stelle umbringen können! Ihr Herz schrie
förmlich nach Rache. Doch dann stellte sie plötzlich fest, dass die Welt um sie herum sich veränderte, dass sie die Farben der Gemälde und die
Auren der drei Männer – Ben, Monti, deRossi – plötzlich mit einer
Intensität wahrnahm, die selbst für sie völlig neu war. Ob es an der
Droge lag oder einfach nur an ihrem extrem erhöhten Adrenalinspiegel?
Oder an beidem?
Die Bilder um sie herum lebten, daran bestand kein Zweifel mehr. Und
die drei Männer …
Montis Aura glühte förmlich vor lauter Ego in tiefem Schwarz und
feurigem Rot, und das, obwohl er ein steinalter Mann war. Zu alt, um
noch an der nächsten Papstwahl teilnehmen zu dürfen und an die Apostel
herankommen zu können. DeRossis Aura glich einem irrwitzigen,
unkontrollierbaren Feuerball aus Rot und Rotorange. Und Ben … seine
Aura wurde mit jedem Augenblick schwächer. Er verlor Blut, das auf
den Boden sickerte und leuchtete! Monti lachte hämisch, und dieses
widerwärtige Lachen wurde in Catherines übersteigerter Wahrnehmung
bis ins Unerträgliche verstärkt.
Und dann … Oh nein, bitte nicht. Nicht jetzt!
Catherines Geist wurde mit einem Male noch klarer, noch schärfer.
Während die Realität um sie herum in immer abstruseren Bildern
versank, wurde der Raum der Kapelle noch lebendiger. Eine Gestalt löste
sich aus Michelangelos Jüngstem Gericht , schwebte auf sie zu und nahm behutsam ihre Hand; jene Hand, in der sie die Fotografie noch vor
wenigen Augenblicken gehalten hatte.
Darius!
Catherine spürte seine Energie und schiere Gegenwart. Binnen eines
Sekundenbruchteils
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