Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
so offen sprechen? »Ich dachte immer, Sie
seien ein Konservativer oder sogar ein Traditionalist, Eminenz.«
»Im Vergleich zu Ihnen, Schwester, bin ich das auch. Doch im Vergleich
zu Kardinal Monti oder Kardinal Gasperetti bin ich geradezu ein
progressiv eingestellter Kleriker.«
»Dann sympathisieren Sie also mit dem Lux?«, wagte sie sich vor.
»Denken Sie nicht so sehr in den Kategorien Gut und Böse. Das Lux ist
ein wichtiger Gegenpol zum Opus, doch allmählich schießt der Orden
über sein eigentliches Ziel, den Ausgleich, hinaus, selbst mit einem
konservativen Mann wie Gasperetti an der Spitze. Macht ist nun mal
verführerisch.«
Leo nickte. »Das stimmt, leider.«
»Apropos, Kardinal Gasperetti …« Ciban zog eine Notiz aus der
Innentasche seiner Soutane und überreichte sie Catherine. War da ein
Leuchten in den stahlgrauen Augen? »Prägen Sie sich diese beiden
Passwörter gut ein. Dann verbrennen Sie bitte das Papier.« Er deutete auf die Kerzen und schob ihr einen als Dekoration dienenden Aschenbecher
zu.
»Wofür ist das?«
»Diese Codes sind der Schlüssel zu Pater Darius’ Biografie und der
Monografie in der Lux-Datenbank ›Lukas‹. Natürlich enthalten diese
Dateien nicht die letzten Geheimnisse, aber Sie werden Ihre eigene
Vergangenheit und das Erbe, das Sie womöglich antreten, dadurch
besser verstehen.«
Catherine hob eine Braue. »Kardinal Gasperetti hat Ihnen diese Codes
einfach so gegeben?«
Ciban beantwortete ihre Frage mit einem rätselhaften Schmunzeln.
»Sagen Sie, Schwester, was halten Sie eigentlich von diesem Wein?«
Epilog
Catherine mochte die Atmosphäre und den Geruch von Krankenhäusern
nicht, doch als Kardinal Ciban angerufen und ihr gesagt hatte, dass Ben
aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, hatte sie alles stehen und liegen lassen und sich sofort auf den Weg zur Gemelli-Klinik gemacht. Als sie
Bens Krankenzimmer betrat, stellte sie zu ihrer Freude und
Überraschung fest, dass er keine intravenösen Stärkungsmittel mehr
verabreicht bekam und auch ansonsten an keinem Tropf oder
irgendwelchen Kabeln hing. Sie umarmte ihn und hätte ihn am liebsten
nie wieder losgelassen, doch dann protestierte er mit einem schiefen
Lächeln und nahe einem Erstickungsanfall sanft.
»Ich hatte einen seltsamen Traum«, sagte er. »In der Sixtina … Ich habe
dich, Darius, Benelli, Thea, Monti und all die anderen gesehen.
Inzwischen weiß ich, dass es gar kein Traum war. Seine Eminenz hat mir
alles erzählt. Ich kann noch immer kaum glauben, dass Kardinal Monti
der Drahtzieher war.«
»Keiner von uns hat das angenommen. Gewiss, Monti war ein Intrigant,
aber ein Mörder?«
Ben setzte sich im Bett etwas auf, sah sie an. »Ich habe auch die
Fotografie gesehen.«
Catherine blinzelte verblüfft. Andererseits, was machte es schon aus?
Ben war und blieb für sie wie ein Bruder. »Ich werde deine
Unterstützung brauchen«, sagte sie mit einem Seufzen.
»Die hast du, uneingeschränkt.«
Er bat sie, die Schublade des Beistelltischs aufzumachen, und sie fand
ein Buch darin: Darius’ Bibel. Sie holte die Bibel heraus, um sie Ben zu geben, doch er lehnte ab. »Bitte nimm du sie.«
»Aber sie gehört dir.« Darius hatte das Buch Ben vermacht.
Der Archivar schüttelte den Kopf. »Wie ich jetzt weiß, war sie von
Anfang an für dich bestimmt. Nur in deinen Händen wird sie ihre wahre
Kraft entfalten.« Einige Sekunden lang sah er sie schweigend an, dann
erklärte er: »Du hast auf Kardinal Ciban einen ziemlich großen Eindruck
gemacht.«
»Na, dann wird das Urteil des Tribunals vielleicht nicht ganz so
vernichtend ausfallen.«
»Ich meine es ernst, Catherine. Du hast im Vatikan unter den Kardinälen
einen einflussreichen Freund gewonnen.«
»Einen Freund? So weit würde ich nicht gehen.«
Ben schenkte ihr ein schiefes Grinsen. »Ich schon. Du solltest dich
allmählich an den Gedanken gewöhnen.«
»Wenn ich herausbekomme, dass du irgendeinen Blödsinn über mich
erzählt hast …«
Ben winkte mit einem noch breiteren Grinsen ab. Dann gähnte er hinter
vorgehaltener Hand. »Ich bin hundemüde und brauche dringend etwas
Schlaf. Mach dir also keinen Stress. Gehe es in Ruhe an. Und vergiss
deine Bibel nicht.«
»Du wirfst mich raus?«
»Was bleibt mir anderes übrig, um dich endlich loszuwerden?
Subtilitäten sind nicht deine Stärke.« Er lachte, und sie stimmte ein.
Doch hinter Bens Lachen steckte tatsächlich eine unendliche
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