Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Müdigkeit.
Sie erhob sich und steckte das Buch in ihre Tasche.
»Na, dann schlaf mal gut und träum was Schönes. Bis bald!«
Als sie das Krankenhaus verließ, war es bereits Nachmittag. Sie nahm
ein Taxi, ließ sich mitten in Rom absetzen und kehrte in ein Café ein, um noch einmal über Bens Worte nachzudenken. Dann nahm sie Darius’
Bibel genauer in Augenschein, bis ihr Blick auf die Schlagzeile einer
Tageszeitung fiel, die ein Gast am Nachbartisch hatte liegen lassen:
DRITTES VATIKANISCHES KONZIL
Papst Leo lässt seinen Worten Taten folgen
Das war also Leos geheimer Plan. Die Eröffnung eines Dritten
Vatikanischen Konzils! Das hatte Monti unbedingt verhindern wollen!
Catherine schnappte sich die Zeitung, nahm wieder auf ihrem Stuhl Platz
und las den gesamten Artikel.
Doch die Zeitung bot auf Seite zwei noch eine weitere vatikanische
Pressemitteilung:
Gestern um 21.27 Uhr erlag der Kardinalstaatssekretär Sergio Kardinal Monti einer schweren Gehirnblutung, in deren Folge er in ein tiefes
Koma fiel und sieben Stunden später verstarb. Der Leichnam des
Kardinals wurde heute Vormittag in den Vatikan überführt, wo er in
einem geschlossenen Sarg im Petersdom aufgebahrt wird, damit sich die Gläubigen und Trauernden von Seiner Eminenz verabschieden können.
Wer Kardinal Montis Nachfolger wird, steht noch nicht fest.
Wie Kardinal Ciban, der Präfekt der Glaubenskongregation, erklärte,
hat die Kirche mit Kardinal Monti, der zahlreiche Organisationen
unterstützte, einen großen Wohltäter der Menschheit verloren.
Catherine ließ die beiden Artikel noch einen Augenblick in ihrem Geiste
nachwirken, ehe sie die Zeitung schloss und vor sich auf den Tisch legte.
Die Welt um sie herum schien stillzustehen. Sie nahm weder die vielen
Menschen noch das Rauschen des immer währenden Straßenlärms wahr.
Seltsam. Eigentlich sollte sie die Nachricht von Montis Tod beruhigen.
Das Gute hatte in dieser Schlacht gesiegt. Stattdessen ergriff eine
unerklärliche Unruhe von ihr Besitz. Ein Satz, den Darius einmal zu ihr
gesagt hatte, fiel ihr wieder ein: »Für gewöhnlich jagen wir das Böse,
doch diesmal jagt das Böse uns.«
Catherine faltete die Zeitung sorgfältig zusammen und steckte sie ein.
Für eine kleine Ewigkeit ging ihr Blick in Richtung Vatikan. Hoch ragte
die glänzende Kuppel des Petersdoms über allen Gebäuden auf.
Anmerkungen der Autoren
Die Geschichte dieses Romans ist rein fiktiv. Die Namen, Charaktere,
Organisationen und Ereignisse sind entweder ein Phantasieprodukt der
Autoren, oder sie wurden aus Recherche-Resultaten heraus fiktional
verwendet und erweitert. So existieren die Abtei Rottach , der Orden des Lux Domini oder das Katholische Institut für medial Hochbegabte nicht in der Realität. Auch wurden neben der seit 1965 verwendeten
Bezeichnung Kongregation für die Glaubenslehre zugunsten einer
stärkeren Assoziation auch die früheren Bezeichnungen Heiliges
Offizium oder Inquisition verwendet. Ebenso wurde Der Palast des Heiligen Offiziums auch Palast der Inquisition genannt.
In Lux Domini zitiert Schwester Catherine Bell während ihres
Disziplinarverfahrens zur Verteidigung aus einem Buch Kardinal Cibans,
der als Präfekt der Glaubenskongregation ihr Erzfeind ist. Die Idee zu
dieser Szene ist an eine tatsächliche historische Begebenheit angelehnt.
So berief sich Uta Ranke-Heinemann in einem brieflichen Austausch auf
eine Passage in Kardinal Ratzingers Buch Einführung in das
Christentum .
Die Idee zur fiktiven Geheimbibliothek Papst Pius XII. im Untergrund
des Vatikans basiert auf einem historischen Ereignis im Sommer 1943,
als Mussolini abgesetzt wurde und im darauffolgenden September
deutsche Truppen zum Entsetzen des Papstes Rom besetzten. Als im
Oktober ein SS-Kommando mit Maschinenpistolen an den Grenzen des
Vatikans Stellung bezog – angeblich zum Schutz Seiner Heiligkeit –,
befürchtete der Vatikan von den Nationalsozialisten besetzt zu werden.
Etliche Kunstgegenstände und Dokumente wurden damals in Sicherheit
gebracht. In Lux Domini geht es um Pius XII. fiktive Geheimbibliothek, deren kostbarste Stücke in den Höhlen unter dem Petersdom vor den
Nazis versteckt worden waren.
Glossar
Angelus: Gebet, das der Papst jeden Sonntagmittag von seinem
Wohnungsfenster aus als Gedächtnis zur Menschwerdung Christi betet.
Apokryphen: Texte, die unter anderem aus religionspolitischen Gründen
nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen worden
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