Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Villa hinunter, als könne er noch die Rücklichter der Ambulanz
durch das Dickicht der Bäume sehen. »Monsignore Benelli war der
einzige noch Lebende seiner Familie.« Der alte Kardinal verabschiedete
sich und schritt mit deRossi langsam zu seinem Wagen. Nach einigen
Metern drehte er sich um. »Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Kann ich
vielleicht jemanden mitnehmen?«
»Danke, Eminenz«, sagte Ciban, und sein Dank hätte nicht aufrichtiger
klingen können, hätte Catherine nicht ein Gespür für gewisse
Dissonanzen gehabt. »Wir sind alle motorisiert.«
Gasperetti zuckte die Achseln und lächelte. »Hätte ich mir eigentlich
denken können. Oh … fast hätte ich es vergessen.« Er trat auf Catherine
zu, wie ein alter Wolf, der die nahe Beute von seiner Harmlosigkeit zu
überzeugen versuchte. »Sie haben etwas verloren, Schwester. Es lag am
Buffet.«
Noch bevor Catherine etwas entgegnen konnte, hielt sie eine kleine
Fotografie in der Hand, und Kardinal Gasperetti war wieder auf dem
Weg zu seinem Wagen. Sie brauchte keinen Blick auf das Foto zu
werfen, um zu wissen, was es zeigte: Benelli und Darius auf dem
Petersplatz.
18.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Catherine und zeigte Ben die
Fotografie.
Von ihm angeregt fuhren sie in einem lockeren Konvoi von drei Wagen
nach Rom zurück. Kardinal Ciban vorneweg, hinter ihm Ben und
Catherine und schließlich Kardinal Bear mit Schwester Thea. Doch der
grüne Lancia, an den Schwester Thea sich erinnert hatte, tauchte in der
Schwärze der Nacht nicht wieder auf.
Ben beugte sich vor, um die Straße besser sehen zu können. Kurz nach
ihrem Start hatte es zu regnen angefangen. Dicke, schwere Tropfen
klatschten wie fette Insekten auf die Windschutzscheibe und erschwerten
die Sicht. Zudem war die Fahrbahn schlecht markiert. »Darüber macht
sich im Augenblick kein Mensch mehr Gedanken als Kardinal Ciban«,
antwortete er und überprüfte die Klimaanlage der Limousine, was bei
einem hochmodernen Wagen wie diesem eigentlich völlig unnötig war.
»Ich denke, du weißt mehr. Und ich denke, du schuldest mir eine
Erklärung. Was hat es mit alldem auf sich?«
»Glaub mir, Catherine, je mehr du dich aus allem heraushältst, desto
besser für dich.«
Catherine steckte das Foto wieder ein. »Hör zu, wie ich heute
vernommen habe, hat man vermutlich zweimal versucht, mich zu töten.
Dann widerfährt mir die Ehre, von Kardinal Benelli eingeladen zu
werden, der in Rätseln spricht, seinem Leben so ganz nebenbei ein Ende
setzt und mich zudem mit dem Mann zusammenbringt, dem ich in
meiner gegenwärtigen Situation nun wirklich am allerwenigsten privat
begegnen möchte. Als Krönung des Ganzen überreicht mir Kardinal
Gasperetti am Ende auch noch diese Fotografie. Ob es mir nun gefällt
oder nicht, ich stecke schon mittendrin.«
»Ciban ist nicht dein Feind«, sagte Ben.
Catherine warf ihm einen Blick zu, als hätte er den Verstand verloren.
Natürlich war der Kardinal als einer der Hauptvertreter jenes
katholischen Lagers, das die Botschaft Jesu in großen Teilen verfälschte und das dafür sorgte, dass es nur eine Meinung und nur eine Lehre gab,
nämlich das Dogma, der Feind eines jeden selbständig denkenden
Menschen! Wo immer sie hinsah, wo immer sie hinhörte, blockierte die
Glaubenskongregation jedwede Modernisierung innerhalb der Kirche.
Im Grunde hatte Catherine während ihres ganzen Prozesses nur auf eine
Frage von Ciban gewartet: »Sind Sie überhaupt noch katholisch,
Schwester Catherine?« Sie hatte diese Frage in seinen Augen gelesen, da
war sie sich ganz sicher. Doch Gott allein wusste, warum der Kardinal
ihr diese Frage nicht ganz offen gestellt hatte.
»Du weißt, was mit Menschen geschieht, die sich für einen offenen
Dialog in der Kirche einsetzen. Keine Instanz, nicht mal die
Glaubenskongregation, kann für sich die absolute Wahrheit in Anspruch
nehmen«, sagte sie zu Ben.
»Ich weiß«, erwiderte er kleinlaut. Er hatte selbst zwei ganze Kapitel aus seiner Dissertation herausnehmen müssen, weil sie dem kirchlichen
Lehramt widersprochen hatten. Die Lehren und Traditionen der Kirche
hatten sich weit vom Neuen Testament der Bibel fortentwickelt.
»Und damit gibst du dich zufrieden?«, fragte Catherine.
Ben zuckte seufzend die Achseln. »Es kann nicht jeder so sein wie du
und sich mit der Großmacht des Dogmas anlegen.«
»Mit Ciban?«
»Wenn du so willst.«
»Dann ist er also doch mein Feind«, stellte
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