Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Privatgemächern Seiner Heiligkeit hat. Vielleicht war es am Ende ja
der Kammerdiener. Oder Seine Heiligkeit hat das Buch verlegt. Er soll in letzter Zeit … nun ja, wie kann ich es ausdrücken … etwas vergesslich
geworden sein. Wie dem auch sei. Sie schaffen das schon.«
Ein Räuspern holte Massini in die Gegenwart zurück. Monsignore
Rinaldo stand plötzlich vor ihm. Er hatte ihn gar nicht hereinkommen
hören. Massini hatte sich vor einigen Monaten ein wenig mit dem
jüngeren Rinaldo angefreundet, ein netter Kerl, jedoch durch und durch
eine Archivmaus, die eigentlich so gar nicht zu Kardinal Cibans
restlichem Stab passte.
»Entschuldigen Sie meine Direktheit, aber Sie sehen aus, als gehörten
Sie selbst ins Bett, um sich gründlich auszukurieren«, sagte Rinaldo.
Massini wusste nur zu gut, wie Recht er hatte.
»Es geht schon«, beeilte der Monsignore sich zu versichern. »Es war ein
anstrengender Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich habe gehört, Seine Eminenz sei noch hier. Ich habe hier eine
ziemlich dringende Nachricht für ihn.«
Massinis Blick fiel auf den DIN-A5-Umschlag in Rinaldos Hand. Es
kostete ihn jedes Quäntchen Selbstbeherrschung, das ihm noch geblieben
war, um nicht mit Entsetzen darauf zu starren.
»Ich fürchte, es wird noch eine Weile dauern«, erklärte er. »Aber da ich schon mal hier bin, kann ich das gerne für Sie übernehmen.«
Rinaldo schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich möchte den Umschlag
lieber persönlich übergeben.«
»Natürlich, kein Problem.« Massini versuchte ein Lächeln. Dann fragte
er vorsichtig: »Wie lautet der Absender?«
»Es hat einen Zwischenfall im Lux Domini gegeben«, erklärte Rinaldo
zögernd. »Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Gegen seinen Willen atmete Massini hörbar auf.
21.
Catherine hatte gerade das Foyer ihres Hotels betreten, als der
Nachtportier, ein kleinwüchsiger, rundlicher Mann in den Sechzigern, sie aufhielt.
»Schwester Catherine!«
Sie machte einen Schwenk nach links, bewegte sich vom Aufzug fort
und steuerte auf die Rezeption zu. Noch immer schwirrte ihr der Kopf
von den Vorfällen in der Villa Benellis und den Ereignissen danach.
Ciban musste inzwischen bei Seiner Heiligkeit im Apostolischen Palast
sein und Ben auf dem Weg in seine eigene Wohnung, nachdem er sie am
Hotel abgesetzt hatte.
»Das hier«, mit seinen kleinen, kurzfingrigen Händen griff der
Nachtportier eilends in eines der Postfächer neben dem Schlüsselbrett
und legte ein Päckchen auf die Theke, »wurde heute Abend für Sie
abgegeben.«
Der graue, zugeklebte Pappkarton war weder mit einem Absender noch
mit einer Empfängeradresse versehen.
»Sind Sie sicher?«, fragte Catherine.
Der kleine Mann nickte eifrig. »Ich musste schwören, es Ihnen
persönlich auszuhändigen.«
»Dann haben Sie mit dem Absender gesprochen?«
»Mit dem Boten. Ich habe den jungen Mann noch nie zuvor hier
gesehen. Aber er hat darauf bestanden, dass ich es Ihnen persönlich
übergebe, sobald Sie das Hotel betreten.«
Catherine sah das Päckchen argwöhnisch an.
»Denken Sie, es ist etwas – Gefährliches darin?« Der dickliche Portier
trat einen halben Schritt von der Rezeption zurück.
»Nein. Natürlich nicht«, beeilte sie sich mit einem Lächeln zu
versichern. »Können Sie mir den Boten beschreiben?«
Der Mann rührte sich nicht. »Hm, also, wenn Sie mich so fragen … etwa
Mitte zwanzig, mittelgroß, schlank, kurze braune Haare, die Augenfarbe
weiß ich nicht mehr, dunkel, glaube ich, Jeans, rotes T-Shirt. Ich würde sagen, er war von keiner offiziellen Postagentur … Ach, da fällt mir ein, auf der Unterseite ist eine kleine Karte eingeschoben.«
Catherine drehte die Schachtel um und zog die Karte heraus. In winzigen
Lettern stand dort: ›Wenn du von ganzem Herzen glaubst, kann es
geschehen. Apostelgeschichte 8,37. Vertraue auf deine Gabe, Catherine.‹
Benelli! Das hier musste von Benelli sein! Himmelherrgott, ließ der alte weißhaarige Kardinal ihr denn nicht einmal nach seinem Tod ihre Ruhe?
Catherine bemerkte, dass der Nachtportier sie und das Päckchen noch
befremdeter anstarrte als zuvor. Schnell, vielleicht ein bisschen zu
schnell, zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen, bedankte sich
freundlich und schritt auf den Aufzug zu.
Es kostete sie große Selbstbeherrschung, das Päckchen nicht schon im
Aufzug zu öffnen. Sie hatte ihr Zimmer kaum betreten, als sie auch
schon auf den Couchsessel zusteuerte und das
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