Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
merken, dass wir ihre Verteidigungslinie
überschreiten, und uns Spürhunde auf den Hals hetzen. Ich werde uns so
viel Zeit verschaffen wie unter den gegeben Umständen nur möglich.«
Ben kannte das Prinzip, zumindest theoretisch. Je mehr Rechner Abel
zwischen das Netz des Lux und seinen eigenen PC schaltete, desto mehr
Luft blieb ihnen für die Recherche und umso mehr Zeit brauchten die
Verteidigungsprogramme des Lux, um Abel aufzuspüren. Während die
Verbindung bestand, erkannte jeder der vernetzten Rechner nur den
Namen seines unmittelbaren Vorgängers. Wenn Abel also die
Verbindung abbrach, bevor die Server des Lux ihn über die
Verschleierungskette orten konnten, waren sie außer Gefahr. Sollten die
Spürhunde des Lux jedoch schneller sein, gab es zumindest noch einen
roten Notfallknopf, der Abels Rechner, ja die komplette Wohnung,
binnen eines Sekundenbruchteils sowohl vom Internet als auch vom
Stromnetz trennte. Letzteres hielt Ben zwar für völlig übertrieben, doch die Gewissheit, dass das Lux leer ausging, sobald sein Freund diesen
Knopf betätigte, selbst wenn es nur einen einzigen Rechner weit von
Abels Rechner entfernt war, war dennoch halbwegs beruhigend.
Allerdings fragte er sich, weshalb nicht einfach ein Programm die
Aufgabe des Notfallknopfes übernahm und die Verfolger überwachte.
Nur schwer hatte er Abels leichte Schizophrenie in diesem Punkt
akzeptieren gelernt.
Ben beobachtete die Weltkarte auf dem Nachbarschirm. Immer mehr
leuchtende Punkte tauchten dort über alle Kontinente verteilt auf. Es
waren die Rechner, die Abel als Sprungbretter dienten und die, wie ihm
sein Verbindungslog mitteilte, vierundzwanzig Stunden am Tag liefen.
Privatgeräte waren ebenso darunter wie PCs von
Versicherungsunternehmen, Banken oder Anwaltskanzleien. Der junge
Priester arbeitete unermüdlich. Nach einer Stunde »Nebelwand bauen«
sagte er schließlich: »Okay, wir sind so weit.«
»Wie viel Zeit bleibt uns?«, fragte Ben.
»Zwei Minuten – nachdem wir entdeckt worden sind. Dann sind die
Sicherheitsserver des Lux alarmiert und die Spürhunde von der Leine.
Wir sind drin.«
Auf dem Bildschirm erschien ein Warnfenster, gleichzeitig ertönte das
Alarmsignal. Abel schaltete das akustische Signal aus. »Das ging
schneller, als ich dachte. Legen wir los.«
Der junge Priester drang in die Personaldatei des Lux ein, und eine Liste von Namen erschien. Tausende von Einträgen. Er gab »Darius« ein.
Fehlanzeige. Er filterte die Namen erst nach Forschern und Dozenten,
dann nach dem Priesterstand. Doch Darius tauchte auch jetzt nicht auf.
»Versuch es mal über das Geburtsdatum«, sagte Ben und gab Abel die
Daten, doch sie fanden wieder nichts. Es war, als hätte Darius für das
Lux niemals existiert. Ein Blick auf den Nachbarbildschirm signalisierte ihm, dass die Spürhunde bereits die Hälfte der Verschleierungskette
überwunden hatten. Ein Leuchtpunkt nach dem anderen ging auf der
blauen Weltkarte aus.
»Da, ich hab was«, entfuhr es Abel plötzlich. »Aber ich bekomme keinen
direkten Zugriff. Jedenfalls nicht in der Zeit, die uns bleibt.«
»Was ist es?«
»Irgendeine codierte Datei, die mit Darius zu tun hat. Ich weiß es nicht.«
Spontan sagte Ben: »Gib Benelli ein.«
»Kardinal Benelli?«
»Tu es!«
Abel tippte den Namen des Kardinals ein, und wie durch ein Wunder
tauchte tatsächlich dessen Akte auf. Allerdings handelte sich nur um die üblichen biografischen Angaben: Schule. Studium. Promotion. Weiterer
beruflicher Werdegang bis zur Ernennung zum Kardinal. Kein Wort
davon, was Benelli zu einem Mitglied des Lux gemacht hatte.
»Such mal nach einer Verbindung zwischen ihm und Darius«, bat Ben.
Vielleicht brachte es etwas, auch wenn sie über den Pater alleine bisher nichts gefunden hatten.
Abel tat, wie ihm geheißen. Ein weiterer Blick auf die Weltkarte ließ
Bens Adrenalinspiegel sprunghaft ansteigen. Die Sekunden rasten nur so
dahin, verschlangen Leuchtpunkt um Leuchtpunkt.
»Mist. Wenn es eine Verbindung zwischen Benelli und Darius gab, finde
ich sie nicht … oder … warte mal.«
Beide starrten auf den Schirm.
LUKAS.
Lukas? Wer zur Hölle war das?
Noch ehe Ben auch nur ansatzweise über den Namen nachdenken
konnte, drückte Abel den Panikknopf. Schlagartig wurde es im gesamten
Appartement dunkel, herrschte rabenschwarze Nacht. Er hörte das
hektische Atmen seines Freundes.
»Fast hätten sie uns gehabt.«
23.
DeRossi saß im Wagen und
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