Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Abel.«
»Um diese Zeit?«
Er trat näher an die Sprechanlage und erwiderte leise, aber eindringlich:
»Es geht um Leben und Tod.«
»Tut es das nicht immer bei dir?«
»Darius ist tot.«
Sekundenlange Stille. »Komm rauf.«
Abels Appartement war nicht sonderlich groß, umfasste vielleicht
sechzig Quadratmeter, doch es war das verrückteste Sammelsurium an
Computerhightech und historischen Museumsschätzen, das Ben je
gesehen hatte. Zweitausend Jahre alte Tonscherben, die von Amphoren
stammten, lagen fein säuberlich aufgereiht neben ebenso alten
Lanzenspitzen. Zumindest sahen diese so aus. Über einem Stuhl hing das
nachgebildete Gewand eines Senators. Auf dem Schreibtisch, gleich
neben einem Computerflachbildschirm, lag der Helm eines Gladiators,
eines jener Berufskämpfer, die in öffentlichen Arenen um Leben oder
Tod gekämpft hatten.
Aber Abel war nicht nur ein Fan der Antike, sondern auch ein
Computerfreak, und genau das war der Grund, weswegen Ben hier war.
Der Priester war ein ehemaliger Hacker, wobei das Wort »ehemaliger«
mit Vorsicht zu genießen war. Es war nichts Offizielles, doch Ben war
sich ziemlich sicher, dass Abel hin und wieder für Seine Eminenz
Kardinal Ciban arbeitete. Nun denn, er musste das Risiko eingehen.
»Pater Darius ist tot?«, wiederholte Abel ungläubig.
Er war einer der letzten Schüler gewesen, die Darius in der römischen
Lux-Domini-Zentrale unterrichtet hatte, bevor er in den Ruhestand
gegangen war. Ben hatte keine Ahnung, worin Abels eigentliche Gabe
bestand. Die persönliche Gabe eines Mitglieds hängte das Lux nicht
gerade an die große Glocke. So wussten weder Ben noch Catherine über
Darius’ Können Bescheid, und das, obwohl er sie über mehrere Jahre
unterwiesen hatte. Dass Abel so gut mit Computern umgehen konnte,
durfte wohl auch eher eine Randerscheinung seiner Talente sein.
Ben nickte. »Ja. Das bleibt allerdings unter uns, denn wenn du dich
verplapperst, ist mein Dasein keinen Pfifferling mehr wert.«
Als hätte Abel die Worte gar nicht gehört, fragte er: »Wie ist er
gestorben?«
»Keines natürlichen Todes, so viel steht fest. Ich brauche deine Hilfe.«
»Es wäre mir lieber, du würdest den offiziellen Weg gehen.«
»Dafür bleibt keine Zeit.«
»Aber ohne Kardinal Cibans Rückendeckung kann es nicht nur deinen
Kopf kosten. Du weißt, ich bin ohnehin von seiner Gnade abhängig.«
»Und er von deiner. – Es geht um Darius«, erinnerte Ben.
Der Priester seufzte resignierend. »Mir schwant Übles. Also gut, erzähl.«
»Ich möchte, dass du mir eine Akte besorgst. Die von Darius.«
»Ich soll in das Rechnernetz des Lux Domini eindringen?« Abel wurde
blass. »Das ist, als würdest du von mir verlangen, in Kardinal Cibans
Büro einzubrechen, während er darin sitzt. Das kann ich nicht.
Außerdem hat er mich aus der CIA-Sache rausgehauen.«
»Darius wurde ermordet, Abel. Ich muss wissen, warum. Ich muss
seinen Mörder finden.«
»Ich verstehe das alles nicht. Du bist einer von Cibans Agenten. Du
brauchst ihn nur zu fragen, und er wird dafür sorgen, dass du Einblick in die Akte erhältst.«
»Er hat die Ermittlung gestoppt.«
»Was?«
»Ich bin raus. Er hat mich von dem Fall abgezogen.«
»Dann wird er gute Gründe dafür haben.«
»Mag sein. Nur welche?«
»Voreingenommenheit? Du weißt selbst, Darius war wie ein Vater für
dich. Er war wie ein Vater für uns alle.«
Ben holte tief Luft. »Er ist ermordet worden, und deshalb brauche ich
deine Hilfe. Jetzt!«
Abels Gesicht offenbarte tiefes Unbehagen. Blass war es nach dem
Gespräch sowieso. Der junge Mann mit der Nickelbrille und dem
kurzgeschorenen Haar stand da, als hätte Ben ihn gebeten, glühende
Kohlen aus einem brennenden Ofen zu holen.
»Bitte«, sagte Ben.
Der Priester seufzte. »Also gut, also gut. Aber gehen wir die Sache in
Ruhe an. Wir brauchen dafür Zeit.«
Ben nahm sich den Stuhl, über dem das Senatorengewand hing, und
setzte sich neben seinen Freund an den Computer, der an etlichen Kabeln
hing. Abels Finger flitzten nur so über die Tastatur, während er, auf dem Weg zum Computernetz des Lux, anfing eine Verschleierungskette
aufzubauen. Er verband seinen PC mit Hunderten anderen, wodurch er
für ihren Gegner eine dichte Nebelwand aufbaute, hinter der sich sein
eigener Rechner verbarg. Erst über den letzten Computer, mit dem er in
Verbindung trat, würde er auf das Netz des Lux Domini zugreifen.
»Sie werden natürlich
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