Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
sah zu, wie das Licht im zweiten Stock des
Appartementhauses, das Hawlett betreten hatte, schlagartig hinter allen
Fenstern erlosch. Nur zu gerne hätte er gewusst, was den Stromausfall in der Wohnung verursacht hatte. Eines stand jedenfalls fest: Hawlett war
bei dem kleinen, brillentragenden Hosenscheißer, der mit seiner
Hackerei eine ziemlich heftige Konfrontation zwischen dem Vatikan und
der CIA heraufbeschworen hatte.
DeRossi wartete, ohne den Eingang des Appartementhauses oder die
Wohnung im zweiten Stock aus dem Auge zu lassen. Fünfzehn Minuten
später ging das Licht wieder an. Wenn er etwas zu seinen Tugenden
zählen durfte, dann war es Geduld. Auch besaß er einen untrüglichen
Instinkt dafür, wann diese angebracht war. Dass Hawlett bereits über
eine Stunde bei dem jungen Geistlichen war, konnte nur eines bedeuten:
Die beiden heckten irgendetwas aus. Der Monsignore war ganz sicher
nicht an dem jungen Pickelgesicht interessiert, dafür schlug sein Herz
insgeheim viel zu sehr für Schwester Catherine Bell.
Es vergingen weitere fünfzehn Minuten, bis Hawlett Abels Appartement
verließ. DeRossi spähte ihm vorsichtig hinterher, als der junge Mann in
seinen Wagen stieg und zügig über eine Nebenstraße davonfuhr. Die
Frage, die deRossi brennend interessierte, war, was Hawlett von Abel
gewollt hatte. War es etwa um eine verbotene Computerrecherche
gegangen? Das konnte durchaus den Stromausfall in Abels Appartement
erklären. Und wenn dem so war, steckte dann am Ende Kardinal Ciban
dahinter?
Ein, zwei Minuten blieb deRossi bewegungslos im Wagen sitzen und
dachte nach. Es war eine einmalige Chance herauszufinden, was Hawlett
bisher in Erfahrung gebracht hatte. Womöglich erfuhr er dadurch sogar
etwas über Benellis Plan. Der Haken an der Sache war nur, dass der
kleine Abel die Befragung nicht überleben würde.
DeRossi startete den Wagen und parkte ihn ein paar Straßen weiter
entfernt. Dann griff er ins Ablagefach der Armatur und holte ein Paar
Latexhandschuhe hervor. Als er zu Fuß zu dem Appartementhaus
zurückkehrte, lag die Straße dunkel und leer vor ihm. Keine
Menschenseele weit und breit.
Er betrat den Eingangsbereich und betätigte die Klingel. Energisch. Es
dauerte fast eine Minute, bis der junge Geistliche reagierte.
»Ja«, kam es benommen aus dem Lautsprecher. Anscheinend hatte Abel
bereits geschlafen.
»Ich bin’s noch mal, Ben«, imitierte deRossi Hawletts Stimme so gut er
konnte. Sollte er sie nicht ganz treffen, so würde Abel es über die
Sprechanlage und angesichts seiner Schlaftrunkenheit wohl kaum
bemerken. »Ich habe meine Autoschlüssel bei dir vergessen.«
»Na klasse«, gähnte der Priester genervt.
Der Türöffner summte, und deRossi trat in den vorderen Flur, der zum
Aufzug führte. Er ließ ihn jedoch links liegen und eilte stattdessen lieber die Treppe hinauf. Oben angekommen stellte er fest, dass die Tür zu
Abels Wohnung offen stand.
»Komm rein«, hörte er den jungen Mann rufen. »Ich kann deine blöden
Autoschlüssel nirgends finden. Hilf mir gefälligst beim Suchen.«
Mit Vergnügen, dachte deRossi und schloss die Tür.
24.
Catherine schrak voller Panik aus dem Schlaf, schnappte nach Luft wie
eine Ertrinkende. Ihr Mund war trocken, die Zunge hölzern. Ihr Körper
fieberte, als hätte sie um die Mittagszeit einen Trip durch das Tal des
Todes absolviert. Erst allmählich ließen die Panik und die Starre ihres
Körpers nach, als sie begriff, dass sie nicht irgendwo verdurstend in der Wüste lag, sondern auf ihrem Hotelbett in Rom.
Catherines Blick glitt durch das Zimmer. Sie hatte keine Ahnung, was
sie erwartete. Ordnung? Chaos? Hatte sie wirklich hinter den Schleier
des Todes geblickt? Sie wankte ins Bad und hielt den Kopf unter den
kühlen Wasserstrahl der Dusche. Dann trocknete sie sich die Haare und
kehrte erschöpft zurück zum Bett.
Allmählich kehrte die Erinnerung an ihren Traum zurück, setzte sich
zusammen wie aus wahllosen Teilen eines verrückten Puzzles. Sie hatte
im Freien gesessen, unter einem fremden, strahlenden Sternenhimmel.
Um sie herum flackerten Dutzende Feuer. Hunderte von Menschen
fanden sich ein, um ihn zu sehen und zu hören. Neben ihr saß ein alter
weißhaariger Mann, in einen grauen Umhang gehüllt, völlig ruhig und
konzentriert. Sie glaubte, ihn zu kennen, doch sie erinnerte sich nicht, woher.
Dann hörte sie von fern eine Stimme. Seine Stimme. Sie war von solch
unglaublich
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