Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Fesseln. »Was zum Teufel …«
»Der Teufel hat damit nichts zu tun. Aber da Sie nicht bereit sind zu
kooperieren, bin ich gezwungen, auf ein geeigneteres Instrument der
Wahrheitsfindung zurückzugreifen. Keine Sorge, es ist kein
Natriumamytal. Dies hier ist etwas viel Wirksameres. Sie werden nach
der Verabreichung äußerst kommunikativ und zugänglich sein, ohne die
geringsten Hemmungen.«
Die Kapuzengestalt trat mit der gefüllten Spritze auf ihn zu. Ben starrte darauf und fühlte, wie es ihm eiskalt den Rücken runterlief. Was war das für ein fluoreszierendes Teufelszeug? Es wirkte wie flüssiges Feuer. Nie zuvor hatte er so etwas gesehen. Aber von Amytal wusste er, dass es
nicht nur gesprächig machte, sondern je nach Dosierung auch zu
Hirnblutungen führte. Der Wirkstoff konnte einen um den Verstand
bringen, einen töten. Und dieses leuchtende Teufelszeug konnte das
sicher auch.
Der Fremde setzte die Spritze an. Kurz darauf hatte Ben das Gefühl,
buchstäblich in fluoreszierendem Blut zu schwimmen.
27.
Catherine lag nach der Dusche noch immer völlig erschöpft auf dem Bett
und starrte die weiße Decke an. Es war mitten in der Nacht, nein, es war bereits in den frühen Morgenstunden, und sie hatte seit diesem
aberwitzigen Traum kein Auge mehr zugemacht. Sie blickte zu der
Digitaluhr auf dem Nachttisch, registrierte die Zeit und vergaß sie in der nächsten Sekunde gleich wieder.
Bei Gott, hatte dieses irrsinnige Traumgespinst überhaupt etwas zu
bedeuten? War das Ganze nicht einfach nur lächerlich?
Sie knipste die kleine Deckenleuchte an, setzte sich auf und lehnte sich im Schneidersitz mit dem Rücken gegen die Kissen. Die Begegnung mit
Benelli in ihrem Traum war noch so präsent, dass ihr die reale
Umgebung des Pensionszimmers regelrecht unwirklich vorkam. Selbst
der fremdartige, zweitausend Jahre in der Vergangenheit liegende
Sternenhimmel über Golgatha hatte für sie zur Stunde mehr Substanz als
die Lampe über ihr. Für einen Augenblick schloss sie fest die Augen und
atmete tief durch.
Was sollte sie tun? Wem würde sie von ihrem Traum erzählen können?
Wer würde ihr auch nur den geringsten Glauben schenken? Sie selbst
glaubte nicht einmal an ihren Traum, geschweige denn an Benellis völlig
verrückten Plan. Sie – ausgerechnet sie! – solle den Papst beschützen?
Und das mit nichts anderem als ihrer spirituellen Energie?
Klang das verrückt? Irgendwie schon. Aber es klang auch nicht
verrückter als all das, was sich in den letzten zwölf Stunden an Skurrilem ereignet hatte. Dabei hatte Catherine das Gefühl, sie hätte erst die Spitze des Eisbergs gesehen.
Ihr Blick fiel auf den Laptop. Einen Moment dachte sie daran, E-Mails
abzurufen und sich damit etwas abzulenken. Vielleicht sollte sie aber
auch einfach nur eine Zeit lang im Internet surfen, um ihre Nerven zu
beruhigen? Ein Spaziergang wäre natürlich noch besser. Doch ein
Spaziergang als Frau im nächtlichen Rom? Lieber nicht.
Eine Runde durch den Petersdom wäre jetzt ganz angenehm gewesen,
mit einem Abstecher zur Sixtinischen Kapelle und zu den vatikanischen
Gärten. Das hätte ihr Hirn erfrischt und ihre Nerven beruhigt, um wieder klarer denken zu können.
Ob sie Ben von ihrem Traum erzählen konnte? Wohl kaum.
Andererseits, wen sonst hätte sie damit konfrontieren sollen, wenn nicht ihn? Darius war tot. Und Ciban? An den mochte sie lieber nicht denken.
Als Kinder im Institut hatten Ben und sie sich alles anvertraut.
Allmählich füllte sich die Welt draußen vor ihrem Hotelzimmer mit den
üblichen frühmorgendlichen Geräuschen. Erste Schritte von Menschen,
erste Autos, vermutlich Lieferanten, die langsam, beinahe rücksichtsvoll durch die Straße fuhren.
Catherine beschloss etwas mehr über Kardinal Benelli herauszufinden.
Sie setzte sich an den Laptop, öffnete das Internet-Programm und
besuchte die Website des Heiligen Stuhls und dort die Liste der
Kardinalelektoren in alphabetischer Reihenfolge.
Benellis Lebenslauf offenbarte nichts Ungewöhnliches. Geburt in Todi,
Umbrien, erst Schule, dann Priesterordination, Studium, Promotion,
Bischofsweihe und schließlich die Ernennung zum Kardinal … Aber was
hatte Catherine auch anderes erwartet? Die offiziellen Kurzbiografien
der lebenden Kardinäle der katholischen Kirche enthielten ganz sicher
keine Ungereimtheiten.
Sie beschloss, die Sache anders anzugehen. Diesmal suchte sie nach
Informationen über die Morde an Darius,
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