Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Hoffnung fast schon aufgegeben, dass sein
Vorgesetzter das Treffen mit Seiner Heiligkeit in dieser Nacht
irgendwann einmal beenden würde, und sich gerade angeschickt, den
Umschlag mit dem Lux-Zwischenfall in die Innentasche seiner Soutane
zu stecken, als die Tür zu den päpstlichen Privatgemächern regelrecht
aufflog. Ciban fegte mit dem Handy am Ohr hinaus, als wäre der Teufel
hinter ihm her.
Ohne auch nur die geringste Notiz von Rinaldo zu nehmen – Ciban hätte
Massini fast umgerannt –, hastete der Kardinal Richtung Flur und
Aufzug und ließ zwei völlig verblüffte Monsignori im Vorzimmer
zurück.
Rinaldo schaffte es gerade noch, zu seinem Vorgesetzten aufzuschließen
und in den Aufzug zu springen, als die Türen schon wieder zugingen.
Ciban hatte das Handy noch immer am Ohr und schien in äußerst
düsterer Stimmung zu sein.
»Das interessiert mich nicht. Wenn Ihr Verein seine Leute nicht im Griff hat, ziehen Sie sich besser aus dem Geschäft zurück.«
In seiner Stimme und seinen eisgrauen Augen lag etwas dermaßen
Bedrohliches, dass Rinaldo sich in den hintersten Winkel der Kabine
zurückzog, soweit das überhaupt möglich war. Ihm dämmerte, dass der
Umschlag in der Innentasche seiner Soutane im Augenblick eine völlig
untergeordnete Rolle spielte, auch wenn der Zwischenfall bedenklich
war.
»Hören Sie, wenn er stirbt, dann halte ich mich an Sie! War das
deutlich?«
Mit diesen Worten legte Ciban auf und schaltete das Handy ab. Sein
Blick hatte Rinaldo zwar gestreift, doch der war sich nicht sicher, ob
seine Gegenwart überhaupt bemerkt worden war. Kaum dass sie das
Erdgeschoss erreicht hatten und die Aufzugstür weit genug
zurückgefahren war, schoss Ciban auch schon auf den Gang hinaus. Die
beiden Schweizer Gardisten, die dort Wache hielten, blickten ihm
vollkommen entgeistert nach.
Als die beiden Gardisten außer Hörreichweite waren und Rinaldo
beinahe zu Ciban aufgeschlossen hatte, drehte der Kardinal sich plötzlich so abrupt um, dass der junge Priester in ihn hineinlief. Rinaldo wollte
sich entschuldigen, doch der Präfekt hob die Hand, und er verstummte.
»Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen, Monsignore. Und Ihr
Stillschweigen.«
»Worum geht es, Eminenz?«
»Monsignore Hawlett ist bei seinen Ermittlungen einem von Kardinal
Gasperettis Männern in die Quere gekommen.«
Gasperetti? Das bedeutete unter Umständen eine äußerst gefährliche
Konfrontation mit dem Lux Domini, und das war nicht gerade die Art
von Arbeit, zu der Rinaldo sich berufen fühlte. Aber Ciban im Stich zu
lassen kam ebenso wenig für ihn in Frage. Er holte tief Luft und nickte.
»Was kann ich tun?«
»Das erzähle ich Ihnen auf dem Weg. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Es eilt.«
Es eilte im wahrsten Sinne des Wortes. Sie rannten hinaus auf den
Damasushof, wo Cibans Wagen stand. Rinaldo hatte kaum auf dem
Beifahrersitz der schweren Limousine Platz genommen, als der Präfekt
bereits das Gaspedal durchtrat. Bei der einen oder anderen Gelegenheit
hatte Rinaldo sich schon gefragt, weshalb der Kardinal, im Gegensatz zu
seinen Kollegen, nie die Dienste eines Chauffeurs in Anspruch nahm.
Nun dämmerte ihm, weshalb. Nicht nur, dass Ciban dadurch
unabhängiger war, er schien auch noch ein leidenschaftlicher und
rasanter Autofahrer zu sein.
Als der Wagen eine enge Kurve im höchstmöglichen Tempo nahm,
bedachte Rinaldo den Kardinal mit einem kurzen Seitenblick. Der
düstere Gesichtsausdruck seines Vorgesetzten verhieß nichts Gutes. In
Augenblicken wie diesen erinnerte Ciban ihn mehr an einen Fürsten der
Finsternis als an einen Fürsten des Lichts.
Als sie Rom über die Via Flamini Nuova nach Norden verließen,
dämmerte dem jungen Priester endlich, welches Ziel sein Vorgesetzter
ansteuerte: Sie fuhren zurück zur Villa Benellis.
29.
Als Massini in das päpstliche Schlafgemach zurückkehrte, blickte Leo
ihn aus geröteten, völlig übermüdeten, aber auch völlig erstaunten Augen an. Offensichtlich hatte Cibans überstürzter Aufbruch den Papst ebenso
überrascht wie ihn und Rinaldo.
»Wie geht es Ihnen, Heiligkeit?«
»Ich bin etwas müde, ansonsten geht es mir den Umständen
entsprechend gut. Hat Seine Eminenz noch irgendetwas gesagt?«
»Nein. Zumindest nicht mir gegenüber. Ich habe ihn noch nie so in Eile
erlebt. Was ist passiert, wenn ich fragen darf?«
»Ein überraschendes Telefonat. Mehr weiß ich nicht.« Leo legte sich in
die Kissen
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