Lux perpetua

ze Strážnice entstammte, wie es hieß, einem Adelsgeschlecht, aber einem eher verarmten. Vor der Revolution war er
     offensichtlich Geistlicher gewesen. Obwohl er nicht älter wirkte als Reynevan und vermutlich auch nicht viel älter war, hatte
     er doch schon einen ereignisreichen und recht bunten Lebensweg zurückgelegt. Gleich nachdem sie ausgebrochen war, hatte er
     sich für die Revolution eingesetzt, wie so viele aus seiner Generation, getragen von einer Welle der Euphorie. 1421 hatte
     er als taboritischer Prediger und Emissär unter den bis dahin treu zu dem Luxemburger stehenden Mähren einen Aufstand entfesselt.
     Sein Werk, seine ureigenste Schöpfung war das mährische Neue Tábor in Uherský Ostroh, das sich vorwiegend durch Raubzüge in
     Klöstern und das Niederbrennen von Kirchen, zumeist inklusive der darin befindlichen Priester, hervortat. Nach etlichen Kämpfen
     mit den ungarischen Truppen des Luxemburgers, als es für ihn brenzlig zu werden begann, überließ Bedřich Mähren den Mähren
     und kehrte nach Böhmen zurück, wo er zunächst den Orebiten und dann Žižkas Tábor angehörte. Nach Žižkas Tod hatte er sich
     Prokop dem Kahlen angeschlossen, dem er als Adjutant diente, für Spezialaufgaben. Mit dem Predigen hatte er aufgehört, seinen
     Apostel- samt Schnauzbart abrasiert und sich in einen Jüngling verwandelt, der, wie es schien, einem Heiligenbildchenentsprungen war. Wer ihn nicht kannte, konnte leicht darauf hereinfallen.
    »Reynevan?«
    »Was ist?«
    »Wir müssen miteinander reden.«
    »Wahrscheinlich ist es höchste Zeit dafür. Siehst du, mir geht das Ganze ganz arg gegen den Strich. Ich habe schlicht und
     einfach die Nase voll. Prokop hat mir befohlen, nach Schlesien zu ziehen, ich habe seinem Befehl gehorsam Folge geleistet.
     Aber wie ich sehe, habe ich einen Fehler gemacht. Ich hätte mich widersetzen sollen, ohne auf die Konsequenzen zu achten.
     Jetzt bin ich hier, weiß der Teufel, warum. Um auf die Probe gestellt zu werden? Um als Instrument für eine Provokation verwendet
     zu werden? Oder als deren Ziel? Oder ganz einfach nur, um
. . .
«
    »Ich habe dir doch schon gesagt, nicht ganz«, unterbrach ihn Bedřich schroff. »Es war meine Idee, so unvermutet einen anderen
     Weg einzuschlagen. Prokop vertraut dir. Was die Mission in Schlesien betrifft, hatte er zudem keine andere Wahl. Wir reiten
     dorthin, um uns mit bestimmten
. . .
mit bestimmten Personen zu treffen und zu verhandeln. Persönlichkeiten, könnte man sagen. Diese Personen haben eine Bedingung
     gestellt, eine merkwürdige und äußerst erstaunliche Bedingung: Sie haben verlangt, dass du, Reinmar von Bielau, an diesen
     Treffen und diesen Gesprächen teilnimmst. Frag mich nicht, warum. Ich weiß nicht, warum? Vielleicht weißt du es ja?«
    »Ich weiß es nicht. Du kannst es mir glauben oder nicht, mir erscheint das genauso merkwürdig und äußerst erstaunlich. So
     sehr, dass ich dahinter eine weitere List von dir vermute. Denn du glaubst mir ja schließlich immer noch nicht.«
    Bedřich ze Strážnice hielt plötzlich sein Pferd an.
    »Ich habe einen Vorschlag«, sagte er und richtete sich im Sattel auf. »Von den äußeren Umständen einmal abgesehen, lass uns
     einen Waffenstillstand schließen, wenigstens solange wir diese Mission durchführen. Wir haben uns mitten ins Feindeslagergewagt. Es könnte schlecht enden mit uns, wenn wir uns nicht gegenseitig vertrauen, wenn wir nicht zusammenhalten, aufmerksam
     und gemeinsam dazu bereit, uns gegenseitig den Arsch zu retten, wenn es hart auf hart kommt. Wie ist es? Gibst du mir die
     Hand darauf?«
    »Die gebe ich dir. Aber von diesem Moment an herrscht Ehrlichkeit zwischen uns, Bedřich.«
    »Ehrlichkeit, Reynevan.«
     
    Am nächsten Tag ließen sie das Städtchen Kranowitz hinter sich und gelangten im Dorf Birksdorf zu dem aus klobigen Steinen
     errichteten Kloster, einem Ableger des Dominikanerinnenklosters in Ratibor. Von Ratibor trennte sie, wie Bedřich schätzte,
     etwa eine Meile.
    »Ich möchte euch noch einmal daran erinnern«, sagte er, als er seine Mannen um sich geschart hatte, »dass wir Kaufleute aus
     Preußen, aus Elbing, sind; wir waren in Ungarn und kehren jetzt von dort zurück. Wir sind verzweifelt, weil uns die Hussiten
     bei Odrau überfallen und ausgeraubt haben. An diese Geschichte halten wir uns, für alle Fälle. Reynevan und Scharley sprechen
     Deutsch, das weiß ich. Und du, Kraftpaket? Der du bist, wer du bist?«
    »Ich rede