Lux perpetua
dahinterstecken? Astrologie? Befasst du dich zusammen mit dem Litauer damit? Wenn ja, dann möchte ich gern
wissen, was in den Sternen steht, welche Geschehnisse und Schicksalsfügungen uns die Bewegungen, Konjunktionen und Oppositionen
der Himmelskörper weissagen.«
»Auf dem Stuhl Petri«, Reynevan tastete sich vorsichtig heran, »wird in Kürze ein anderer Stellvertreter Gottes Platz nehmen.
Großfürst Witold wird dies nicht mehr erleben, er wird im vorletzten Jahr des Pontifikats von Papst Martin V. sterben. Władysław
Jagiełło, der polnische König, wird beide überleben, sowohl Witold als auch Martin. Er wird dieses irdische Jammertal im vierten
Jahr des Pontifikats des neuen Papstes verlassen.«
Prokop schwieg.
»Ich nehme an«, mutmaßte er schließlich, »diese Vorhersagen sind, wie gewöhnlich, nicht bis ins Einzelne fassbar. Und enthalten
keine konkreten Jahreszahlen.«
»Sind sie nicht.« Reynevan zuckte nicht mit der Wimper. »Enthalten sie nicht.«
»Ha! Aber Martin V. hat, wie man’s auch dreht und wendet, schon gute sechzig Jährchen auf dem Buckel, seit dem Konklave sind
bereits zwölf Jahre vergangen. Angeblich schwächelt er, da muss man gar nicht so lang warten, bis er sich vom Kalender verabschiedet
. . .
Ha! Und Witold, sagst du, tritt noch vor ihm ab, noch bevor Papst Martin an die Pforten des Paradieses klopft
. . .
Ha! Das ist interessant. Hast du von dem Horoskop gehört, das Heinrich von Brieg für Königin Sonka angefertigt hat?«
»Ich habe davon gehört. Das Horoskop fiel für Jagiełłos Söhne Władyław und Kasimir nicht gerade günstig aus. Unter ihrer Herrschaft
sollen angeblich Katastrophen über das polnische Königreich hereinbrechen.«
»Aber sie werden herrschen«, sagte Prokop mit Nachdruck. »Beide werden sie herrschen. Auf dem Wawelschloss. Erst der eine,
dann der andere.«
»Sie sind Königssöhne, da ist das doch eher normal.«
»Wir reden von Polen«, erinnerte Prokop ihn. »Dort ist nie etwas normal. Aber das ist nicht so wichtig, Horoskope können sich
irren, ganz zu schweigen von den Wahrsagern. Aber was soll’s, unsere Neugier auf zukünftige Dinge wird das nicht bremsen.
Wo wir schon einmal dabei sind, was wird mit Prinz Korybut? Was sagen ihm die Sterne voraus?«
»Gerade ihm sagen sie Gutes voraus.« Reynevan zuckte die Achseln. »Zumindest glaubt er das. Er soll an einem heiligen Fluss
sterben, wenn sich der Wolf mit einem anderen misst. Der Wolf, glaubt Korybut, ist den Prophezeiungen des Malachias zufolge
der Nachfolger von Martin V. Und der heilige Fluss ist der Jordan. Der Prinz hat nicht die Absicht, nach Palästina zu gehen, und will sich auch nicht am
Jordan mit dem Papst messen. Er ist der Ansicht, dies garantiert ihm ein langes Leben.«
»Und was glaubst du?«
»Die Geister verspotten manchmal mit ihren Prophezeiungen die Menschen. Aber die Deutung von Korybut erinnert mich zu sehr
an die Geschichte von Gerbert von Aurillac, Papst Silvester II. Diesem war geweissagt worden, er werde sterben, während er in Jerusalem eine Messe liest, also dachte er, wenn er sich nicht
dorthin begäbe, würde er ewig leben. Er ist in Rom gestorben, nachdem er eine Messe in der Kirche Santa Croce gelesen hatte.
Diese Kirche trägt die nähere Bezeichnung ›in Gerusalemme‹.«
»Hast du das Korybut erzählt?«
»Nein.«
»Dann sag ihm auch nichts.«
Der
director operationum Taboritarum
stand auf, durchquerte das Zimmer und öffnete das Fenster. Frühlingsluft wehte herein.
»Am Montag macht ihr euch auf nach Schlesien. Ihr habt dort wichtige Dinge zu erledigen. Ich vertraue dir, Reynevan. Enttäusche
mich nicht. Denn wenn du mich enttäuschst, werde ich dir die Seele aus dem Leib pressen.«
Der Palmsonntag kam heran, der in Böhmen auch Blumensonntag genannt wird. Die Glocken riefen die Gläubigen erst zur Prozession
und dann zur Messe. Genauer gesagt zu zwei Messen.
Die Messe für die Hussiten zelebrierte Prokop der Große höchstselbst, der Oberbefehlshaber der Feldtruppen von Tábor. Natürlich
der Liturgie von Tábor folgend unter freiem Himmel, hinter der Stadtmauer, auf der sogenannten Karpfenwiese, mit dem Kelch
auf dem Altartisch, der mit einem einfachen weißen Tuch bedeckt war. Die Messe für die Katholiken, überwiegend Polen, wurde
in der Stadt abgehalten, in der St.-Bartholomäus-Kirche, und sie zelebrierte Priester Kołatka, der Propst von Nassiedel, den
sie eigens für
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