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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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er am Boden aufschlug, sah er, wie eine Klinge
     aufblitzte und Bożyczko sich auf diesen Menschen warf. Die Klinge schrappte kreischend an der Mauer entlang, dann waren das
     Echo eines Schlages, gleich darauf ein wilder Fluch, ein zweiter Schlag und dann das Krachen und Bersten von zerbrechenden
     Brettern zu hören. Etwas wie ein greller Blitz fuhr hernieder und beleuchtete den Hof für einen Moment, die Luft dröhnte,
     der starke Geruch nach Ozon und Terpentin deutete auf die Magie der ›Goetia‹ hin. Reynevan wollte nicht warten, und er wollte
     nicht herausfinden, wer den Zauber geworfen hatte. Er sprang vom Boden auf, schwang sich auf einen Holzstoß, sprang über die
     Mauer und rannte über den Nachbarhof zum Tor. Er war schnell, aber nicht schnell genug. Jemand sprang ihm plötzlich in den
     Rücken, warf ihn um und drückte ihn zu Boden.
    »Still«, summte ihm eine weiche, melodische Altstimme ins Ohr. »Still, Reynevan.«
    Er gehorchte. Der Druck ließ nach. Die nach Rosmarin duftende Frau mit der Altstimme half ihm aufzustehen.
    »Der Inquisitor ist davongelaufen, leider«, sagte sie, im Dunkeln kaum wahrnehmbar. »Schade. Wenn ich ihn gefasst hätte, hätten
     wir womöglich aus ihm herausgepresst, wo sie Apoldas Tochter versteckt halten.«
    »Das bezweifle ich
. . .
« Er bezwang seine Verwunderung und den Knoten in seinem ausgetrockneten Hals. »Ich bezweifle, dass uns das gelungen wäre.«
    »Vielleicht hast du ja recht mit deinen Zweifeln«, gab die Altstimme zu. »Aber ich habe ihn immerhin tüchtig erschreckt. Und
     zwei ordentliche Schläge habe ich ihm versetzt, denn ich habe einen Schlagring im Handschuh. Sogar mit denZähnen hat er geklappert! Er muss Magie angewandt haben, um zu entkommen, diese Pest von einem Magier
. . .
«
    »Und jetzt wird er seine Wut an Jutta auslassen.«
    »Das wird er nicht tun. Aber er wird sich wenigstens eine Zeit lang hüten, dich zu quälen.«
    »Wer bist du?«
    »Nicht so schnell, nicht so schnell.« In die aufreizend modulierende Stimme mischte sich ein spöttischer Unterton. »Ich bin
     ein anständiges Mädchen, ich habe meine Prinzipien. Einen
coitus
frühestens beim dritten Rendezvous, Bekenntnisse und andere Vertraulichkeiten erst beim vierten oder noch später.
Piano
also, mein Junge,
piano
. Es muss dir genügen, zu wissen, dass ich auf deiner Seite bin.«
    »Du hast mich in Breslau gerettet
. . .
«
    »Ich sagte dir doch, ich bin auf deiner Seite. Ich sorge dafür, dass dir nichts Böses widerfährt. Und deswegen will ich dir
     auch helfen, deine Liebste zurückzuholen. Um dies zu tun, schlage ich ein Treffen in Striegau vor.«
    »Wann?«
    »Am dritten Tage des Monats Tammus. In der Kirchgasse, in der Nähe der Schule und der Johanniterkomturei. Da ich nicht sicher
     bin, ob du es schaffst, an diesem Tag zu kommen, werde ich mich drei Tage lang dort aufhalten.«
    »Warum ausgerechnet Striegau?«
    »Die Stadt ist mir lieb.«
    »Warum hilfst du mir?«
    »Ich habe ein bestimmtes Interesse daran.«
    »Welches?«
    »Für heute nur so viel«, sagte die nach Rosmarin duftende Altstimme, »in Kürze wird dich ein alter Bekannter um einen Rat
     bitten. Er steht vor einer Entscheidung und zögert noch. Veranlasse ihn dazu, sein Zögern aufzugeben. Bestärke ihn darin,
     dass sein erster Gedanke der beste war und dass er das Richtige tut.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Du wirst es schon verstehen. Leb wohl, geh zurück zu deinen Gefährten. Na, was stehst du hier noch herum?«
    »Verrate mir nur noch eins
. . .
«
    »Reynevan!«
    »Bist du ein Mensch? Eine gewöhnliche
. . .
hmm
. . .
Frau?«
    »In dieser Frage«, antwortete ihm ein spöttisches Kichern aus dem Dunkel, »gehen die Ansichten auseinander. Es gibt da ganz
     verschiedene Meinungen.«
     
    Am nächsten Tag, am Karfreitag, verließen sie Ratibor am frühen, traurig gestimmten Morgen. Der nach Ziel und Weg der Reise
     befragte Bedřich murmelte etwas von der nach Osten führenden Straße nach Krakau, es verwunderte allerdings niemanden, dass
     sie sich, die Brücke über die Oder zu ihrer Rechten hinter sich lassend, das linke Flussufer entlang nach Norden wandten und
     Bedřich an der Wegkreuzung, die sie bald darauf erreichten, ohne etwas zu sagen, statt der Hauptstraße nach Neisse eine weniger
     frequentierte Straße wählte. Die nach Cosel führte.
    Die Vorkommnisse des gestrigen Tages hatte Reynevan seinen Gefährten gegenüber mit keinem Wort erwähnt.
    Der Prediger trieb sie zur Eile an, daher

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