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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wären aufgeblasen?«
    Konrad schwieg und blickte demonstrativ zur Seite.
    »Kommen wir noch mal auf den Blick in die Zukunft zurück.« Andrzej z Bnina schwächte seinen Ton ab. »Ich sage Euch, werter
     Bischof von Breslau, was Zbigniew Oleśnicki, der Bischof von Krakau, voraussieht. Die Dinge werden den folgenden Verlauf nehmen:
     Nach dem nächsten böhmischen Kriegszug wird die Hälfte der schlesischen Herzöge zu den Hussiten überlaufen, und die andere
     Hälfte wird bei Władysław Jagiełło, dem polnischen König, Hilfe suchen. Der Papstwird, um Jagiełło auf seine Seite zu ziehen, Euch Eures Amtes als Bischof entheben. Und da Breslau kirchenrechtlich dem Erzbistum
     Gnesen untersteht, wird Zbigniew Oleśnicki Euren Nachfolger berufen, und der polnische König wird ihn bestätigen. Und der
     Luxemburger, dem Ihr so treu dient? Glaubt Ihr denn, dass er für Euch auch nur das Geringste tut? Bestimmt nicht. Der wird
     keine Hand rühren. Er wird Euch den Drachenorden senden. Um Euch die Tränen zu trocknen. Wie es so seine Art ist.«
    Der Bischof sagte lange nichts. Dann wandte er den Kopf.
    »Seid Ihr des Redens nun müde?«, fragte er und sah dem Polen in die Augen. »Ihr habt geredet, was das Zeug hält. Aber im Grunde
     genommen ist es doch nur auf das hinausgelaufen, was ich bereits gesagt habe. Pro- oder Antihussiten, ihr seid mir alle feindlich
     gesinnt, Eure ganze Nation. Und Zbigniew Oleśnicki ist mein schlimmster Feind.«
    »Der Bischof von Krakau«, erwiderte Bnina bedächtig, »ist Euer Feind nicht. Das kann ich Euch leicht beweisen.«
    »Wie denn?«
    »Indem ich Euch einen Dienst erweise.«
    »Als Gegenleistung für meine Einwilligung in eine polnische Intervention?«
    »Zum Ruhme Gottes.«
    »Na, na. Womit will mir Zbigniew denn einen Dienst erweisen?«
    »Mit einer Information.«
    »Ich lausche gespannt.«
    »Der Bischof von Krakau«, Andrzej z Bnina wog seine Worte sorgfältig, »hat als guter Katholik und unversöhnlicher Feind der
     Häresie seine Informanten unter jenen Polen, die den Hussiten dienen. Er hat auch Informanten unter den Kaufleuten, die mit
     den Böhmen Handel treiben. Daher ist er im Besitz von zahlreichen Informationen. Darunter auch einer, die für Euch wichtig
     ist. Für Schlesien. Sie betrifft die Arbeit des hussitischen Agentennetzes in Schlesien.«
    »Mit hussitischen Spionen werden wir in Schlesien allein fertig.« Konrad spitzte verächtlich die Lippen.
    »Tatsächlich?« Der Pole lächelte. »Da gibt es aber einen, mit dem ihr immer noch nicht fertig geworden seid.«
     
    Der Tag unterschied sich durch nichts von den vorangegangenen. Vom Mühlwasser her erklangen die Flüche der Flößer, von den
     Gässchen rund um die Kirche drangen der Lärm von rollenden Fässern und das Klopfen von Hämmern, von der Ecke das Geschrei
     der Krämer, von den Fleischbänken das Blöken der Lämmer und das Quieken der Schweine herauf. Im Lärm der Stadt gingen die
     monotone Stimme des Magisters und die Stimmen der Schüler, die ihre Lektion wiederholten, unter. Obwohl ihre Stimmen kaum
     zu vernehmen waren, wusste Wendel Domarask genau, welche Lektion die Schüler wiederholten. Denn in der Kollegiatschule des
     Heiligen Kreuzes war immer noch er der Rektor. Und er selbst erstellte den Lehrplan.
    Si vitam inspicias hominum, si denique mores,
    cum culpant alios: nemo sine crimine vivit.
    Vor dem, was gleich geschehen sollte, warnte ihn sein Instinkt. Wendel Domarask sprang hinter dem Tisch auf, packte die Berichte
     der Agenten und warf sie ins Feuer. Eine Sekunde bevor die berstende Tür aus den Angeln flog, hatte der Magister aus der Kredenz
     einen blauen Flakon hervorgeholt. Er schaffte es noch, die darin befindliche Flüssigkeit zu trinken, bevor ihm die in das
     Zimmer hereinstürmenden Schergen die Arme auf den Rücken drehten, ihn an den Haaren packten und seinen Kopf nach hinten zogen.
     Der Rektor röchelte.
    »Lasst ihn los.«
    Obwohl er ihn noch nie gesehen hatte, wusste Domarask sofort, wer vor ihm stand. Er ahnte es, als er die schwarze Kleidung
     und die schwarzen, bis zu den Schultern reichendenHaare sah. Die seltsame, vogelähnliche Physiognomie. Und den teuflischen Blick.
    »Mit Gift ist es wie mit einer Frau.« Der Mauerläufer hob den kleinen blauen Flakon auf und drehte ihn zwischen den Fingern.
     »In zweifacher Hinsicht sogar.
Primo
: Man kann ihr nicht trauen, sie verrät und enttäuscht einen immer dann, wenn man sie am meisten braucht.
Secundo
: Man

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