Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
der Streit zwischen
     Roswitha von Baruth und Beatrix von Falkenhayn, die sich aufgrund gegenseitiger Anschuldigungen mit hässlichen Worten gezankt
     hatten. Mundschenk Bertold de Apolda akzeptierte die Entschuldigung Thomas von Eichelborns, der Vereinbarungen bezüglich der
     Verehelichung ihrer Kinder nicht eingehalten hatte. Letzteres beunruhigte Parzival von Rachenau außerordentlich. Parzival
     war mit seinem Vater, Herrn Tristram von Rachenau, zum Familienrat gekommen, und der Vater hatte umgehend damit begonnen,
     mit Albrecht von Hackeborn, dem Herrn auf Priebus, Artigkeiten auszutauschen. Es war kein Geheimnis, dass sich der Herr auf
     Priebus um eine Verbindung zu den Rachenaus bemühte und dass er deshalb seine Tochter Susanna Parzival zur Frau zu geben wünschte.
     Parzival hingegen interessierte Susanna von Hackeborn überhaupt nicht. Parzival dachte, sooft es ging, nur an die hellhaarige
     Ofka, die Tochter von Heinrich von Baruth auf Schönbrunn. Außerdem war Ofka beim Familienrat zugegen, die Hausmeisterin hatte
     sie mit den anderen Mädchen ins Damengemach gelotst und dazu gezwungen, am Stickrahmen zu arbeiten.
    Die beiden Tage, die für den Familienrat anberaumt worden waren, vergingen wie im Flug, und es war nur noch eine einzige schwierige
     Sache zu klären, welche die Familien Bischofsheim und Sterz entzweit hatte. An eine Übereinkunft war, wie man glaubte, überhaupt
     nicht zu denken. Aber Kanonikus Heinrich und Apeczko von Sterz benutzten ihren Kopf nicht nur zum Hütetragen. Um die Gemüter
     zu beruhigen, sprach der Kanonikus ein langes und langweiliges lateinisches Gebet, Apeczko hingegen schlug vor, Trauergottesdienste
     für die Seelen der Verwandten und Freunde, die gefallen waren, als sie den wahren Glauben gegen die Hussiten verteidigten,
     abzuhalten, besonders für Heinemann von Baruth, Gawain von Rachenau, Reinhard von Bischofsheim und Jens von Knobelsdorf,genannt der Uhu. Die Trauerfeierlichkeiten dauerten Tag und Nacht, die Wiederaufnahme der Beratungen musste bis zu dem Zeitpunkt
     verschoben werden, an dem die Trauernden wieder klar denken konnten.
    Parzival von Rachenau hatte an dem Umtrunk nicht teilgenommen; das Gesetz verbot es jungen Adeligen, die die Schwertleite
     noch nicht empfangen hatten, zwar nicht, daran teilzunehmen, ermunterte sie aber auch nicht dazu. Parzival zog es daher vor,
     über die Wälle und durch die Stallungen zu schlendern. Plötzlich sah er zu seiner nicht geringen Verwunderung seinen Freund
     Heinrich von Baruth, genannt Spatz, der ihm eilig entgegenkam und an seiner Seite
. . .
seine Cousine hatte, die blondhaarige Ofka von Baruth.
    »Ich stelle dir«, keuchte Spatz, Atem holend, »meinen Freund und Waffengefährten Parzival von Rachenau vor, den Sohn von Herrn
     Tristram auf Buchelsdorf. Ich sage dir, Ofka, du wirst kaum einen Kühneren finden als ihn. Ich habe, ohne mich rühmen zu wollen,
     gegen die Böhmen gekämpft, ja, sogar mit Zauberern und Hexen hatte ich es zu tun
. . .
Er aber! Du wirst es mir nicht glauben! Er kämpfte vor Nachod gegen die Horden des Häretikers Ambros, allein, nur mit mir,
     gegen hundert Mann. Und auf den Mauern von Glatz, ha, du kannst es dir kaum vorstellen, Mädchen! Obgleich verwundet und blutüberströmt,
     leistete er den Ketzern, die Glatz belagerten, doch unerschrocken Widerstand. Herr Puta von Czastolovice höchstpersönlich
     hat sich danach seinen Kopf an die Brust gedrückt.«
    Die Wangen Parzivals färbten sich plötzlich karmesinrot. Nicht, weil Spatz log wie gedruckt. Parzival konnte beim Anblick
     des Fräuleins, ihrer großen nussbraunen Augen und ihrer sommersprossenübersäten Stupsnase einfach nicht anders, als zu erröten.
     Das waren die schönsten Sommersprossen, die Parzival je im Leben gesehen hatte.
    »Ich lasse euch allein«, sagte Spatz schnell. »Dann könnt ihr reden. Ich habe Wichtigeres zu tun.«
    Sie blieben allein zurück. Parzival, noch vor einer Minutebereit, seinem Freund ein Pferd zu schenken, merkte jetzt, dass er ihm am liebsten einen Nasenstüber versetzt hätte. Obwohl
     er es so sehr wollte, konnte er kein Wort herausbringen. Er war sich sicher, dass Edelfräulein ihr Ohr nur der poetischen
     Sprache von Troubadouren und fahrenden Rittern liehen, und kam sich wie der letzte Dummkopf vor.
    Ein warmer Wind wehte, im Schlossgraben quakten laut die Frösche.
    »Ihr wart verwundet, ja?«, beendete Ofka das entsetzliche Schweigen und rümpfte ihr sommersprossenübersätes

Weitere Kostenlose Bücher