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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Schmerzen kann ich nicht mehr klar denken.« Der Hetman überließ sich ganz der Prozedur des Einsalbens. »Und
     gerade jetzt muss ich denken. Du warst heute am Fluss, du weißt, wie die Sache steht. Das Übersetzen wird nicht einfach, und
     wir werden dabei aussehen wie eine Nacktschnecke, die jeder Spatz aufpicken kann. Das verstehst du doch? Was? Reynevan?«
    »Sicher, das verstehe ich.«
    »Uuch!«, stöhnte Prokop. »Das ist eine wahrhaft himmlische Arznei, diese Salbe, der Schmerz vergeht, als hätte ihn jemand
     mit der Hand fortgewischt. Was würde ich wohl ohne dich machen, Medicus? Geh mir bloß nicht verloren, Reynevan. Verkrümle
     dich nicht und komm mir nicht abhanden.«
    Reynevan lief ein Schauder über den Rücken, er hatte in Prokops Stimme einen seltsam bedrohlichen Unterton herausgehört. Der
director
der Feldarmee blickte die anwesenden Truppenführer an und gab Kroměšín ein Zeichen. Dieser legte das Messer weg, mit dem er
     das noch halb rohe Fleisch von den Rippen eines gebratenen Hammels geschnitten hatte, stand auf, ging zur Tür der Hütte und
     schaute sich um, ob draußen nicht jemand lauschte. Die anderen Truppenführer hörten ebenfalls auf zu essen, ihre Gesichter
     waren ernst und reglos.
    Reynevan rieb Prokop weiter mit der Salbe ein.
    »Also, Brüder Hauptleute«, Prokop kratzte sich die frisch rasierte Wange, »ich habe mich entschieden. Übermorgen beiTagesanbruch beginnen wir damit, über die Mulde zu setzen. Am Oberlauf des Flusses, an der Furt bei Kössern. Zu keinem ein
     Wort. Dies darf diesen Raum nicht verlassen.«
     
    Die Lagerfeuer Tábors und der Waisen leuchteten bis zum Horizont. Aus den über der Glut aufgehängten Kesseln zogen die verschiedensten
     Gerüche von Soldatenmahlzeiten, Gerüche, die selbst für den Hungrigen nicht besonders appetitanregend waren. Reynevan ging
     in Gedanken versunken auf das Vorwerk zu, das die Hussiten nicht verbrannt hatten, weil sie wenigstens ein Stück Dach über
     dem Kopf haben wollten. Er hoffte, Scharley und Samson dort anzutreffen.
    Hinter dem Wagen, an dem er eben vorüberkam, glitt plötzlich eine schmale Gestalt hervor. Er spürte einen schwachen Duft von
     Rosmarin.
    »Rixa?«
    Sie tauchte dicht neben ihm auf, fest in einen Mantel gewickelt, mit einer eng anliegenden Kapuze auf dem Kopf. Und sie kam
     sogleich zur Sache, sprach mit entschiedener, fast unangenehmer Stimme.
    »Wo und wann wird Prokop über die Mulde setzen?«
    »Ich freue mich auch, dich zu sehen.«
    »Wann und wo wird übergesetzt? Lass mich nicht noch einmal fragen.«
    »Frage trotzdem noch einmal, sei so nett. Ich möchte nämlich gar zu gern wissen, wem du eigentlich dienst. Ich möchte endlich
     Klarheit haben.«
    »Ich weiß, dass du dabei warst, als die Entscheidung, wo übergesetzt wird, gefallen ist. Drei Furten führen durch die Mulde.
     Eine hier, bei Grimma. Die zweite weiter unten, bei Dornau. Die dritte flussaufwärts, bei Kössern. Welche hat Prokop sich
     ausgesucht? Sprich, Reynevan, ich hab’ keine Zeit.«
    »Daraus wird nichts.«
    »Hör zu!« Ihre Katzenaugen funkelten im Schein der Fackel, sie blitzten auf wie bei einer richtigen Katze. »Das istwichtig. Du hast überhaupt keine Ahnung, wie wichtig. Ich muss es wissen. Rede, sonst
. . .
«
    »Was sonst?«
    Rixa gelang es nicht, zu antworten, es gelang ihr nicht, zu reagieren, mit keinem Wort, mit keiner Geste, geschweige denn
     mit einer Tat. Hinter dem Wagen schob sich plötzlich ein Schatten hervor. Reynevan hörte einen dumpfen Schlag, Rixas leises
     Stöhnen und das Geräusch eines fallenden Körpers. Er wollte reagieren, aber er schaffte es nicht. Er hörte den Spruch, roch
     den charakteristischen magischen Ozongeruch und spürte, dass er wie gelähmt war.
    »Schweig«, zischte Łukasz Bożyczko, »und tu nichts, was du später bereuen könntest.«
    »Du hast sie getötet.«
    »Ach was!« Der Diakon stupste Rixa leicht mit der Fußspitze an und zog sich den Schlagring von seinen Fingern. »Ich habe mich
     nur für Ratibor revanchiert. Damals hat sie mir zwei Zähne ausgeschlagen. Ich war äußerst rücksichtsvoll, weil sie eine Frau
     ist, ich wollte ihre Schönheit nicht mal durch einen blauen Fleck beeinträchtigen. Ich habe auf ihren Hinterkopf geschlagen.
     Aber genug jetzt mit diesem Unsinn, ich bin in einer wichtigen Angelegenheit hier. Wo wird Prokop über die Mulde setzen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Weißt du auch«, fragte Bożyczko nach kurzem Schweigen, »dass

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