Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
wie.«
     
    Über der Mulde wurde es Tag, trüb vor Nebel. Die Strömung des Hochwassers verursachte Strudel, Wellen schwappten ans Ufer.
     Über dem Wasser erhob sich der Dunst.
    Aus dem vom Nebel bedeckten Lager tauchte eine bewaffnete Abteilung auf, etwa dreihundert Berittene. Ritter Jan Zmrzlík ze
     Svojšina, der Herr auf Burg Orlík, führte sie an, in voller Rüstung, darüber nur ein kurzer Umhang, der mit dem bekannten
     und berühmten Wappen geschmückt war, drei roten Streifen auf silbernem Grund. Zu seiner Rechten ritt Předboř von Pohořílky,
     ein Mähre, zu seiner Linken Fritzold von Warte, ein Söldner, ein Schweizer aus dem Kanton Thurgau.
    Jan Zmrzlík wendete das Pferd und stellte sich vor seinen Soldaten auf. Einen Moment sah es so aus, als wollte er ihnen mit
     einer Rede einheizen. Aber alles, was es zu sagen gab, war bereits gesagt worden. Über Gott. Über die Sache. Über Aufopferung.
     Über die Mission. Und das, was von dieser Abteilung abhing. Von ihnen.
    Von ihnen, von dieser Abteilung hing das Schicksal des ganzen Heeres und der gesamten Operation ab. Sie sollten die Mulde
     sichern, das linke Ufer erkunden. Und es halten. Das Übersetzen absichern. Um jeden Preis.
    »Im Fluss halte dich an mich und Samson.« Scharley stieß Reynevan mit dem Knie an. »Dieses Gewässer sieht abscheulich aus.«
    »Zeit anzufangen.« Jan Zmrzlík nickte. »Gott mit euch, Brüder!«
    Er selbst lenkte als Erster sein Pferd in den Fluss. Ihm folgten Předboř und Warte, dahinter Reynevan, Scharley und Samson,
     dann einhundert andere und schließlich der Rest, so dass das Wasser weiß aufschäumte. Sobald die Pferde den Grund unter den
     Beinen verloren, begannen sie zu schwimmen, zunächst geradeaus, dann bekamen sie die Strömung zu spüren und wurden abgetrieben.
     Der sich krampfhaft an der Mähne festhaltende Reynevan sah mit Entsetzen, wie einige Reiter mit ihren Pferden von der Strömung
     erfasst und im Nebel davongetragen wurden. Er gab seinem Pferd die Sporen. Wasser bespritzte ihn, Samson kam auf ihn zu und
     half ihm, Scharley ebenfalls, und alle drei widersetzten sich gemeinsam dem Fluss. Auch die anderen Reiter begannen, sich
     aufeinander zuzubewegen und sich gegenseitig Halt zu geben. Dennoch wurde immer wieder jemand von der Strömung mitgerissen,
     mal schrie ein Mensch, mal schrie in panischer Angst das Pferd. Sie waren in der Mitte des Flusses, die Strömung hatte hier
     eine irrsinnige Kraft.
    »Haltet euch fest! Haltet aus!«, hörten sie Zmrzlík rufen. »Es ist nicht mehr weit!«
    Von der Strömung getragen, schwammen sie auf das Ufer zu. Die Strömung wurde jetzt etwas schwächer. Aber auch die Pferde wurden
     schwächer, ihr wildes Schnauben wurde immer verzweifelter. Und sie fühlten immer noch keinen Grund unter den Beinen. Den Reitern
     reichte das Wasser über die Oberschenkel und bis zu den Hüften, von den Pferden sah man nur die hoch erhobenen Köpfe aus dem
     Wasser ragen. Wieder wurde einer fortgerissen, ein anderer davongetragen, und das untergehende Pferd wehrte sich, wild um
     sich schlagend, dagegen, hinabgezogen zu werden, das Wasser schäumte, das Pferd wieherte auf, bevor ihm das Wasser in die
     Nüstern drang.
    Der Albtraum war plötzlich vorüber. Es wurde flacher, die Pferde prusteten laut, als sie den Grund unter ihren Hufen spürten,
     sie boten ihre allerletzten Kräfte auf und stapften durch Sumpf, Röhricht und Schilf. Die Abteilung von JanZmrzlík hatte die Mulde überwunden. Er selbst stand auf einem Felsen, das Wasser rann an ihm herab, und er zählte die Überlebenden.
     Die Sonne schimmerte wie ein blassgoldenes Geldstück durch den Nebel.
    Als das Zählen beendet war, befahlen die Hauptleute, eine Kolonne zu bilden. Die Spähtrupps waren bereits aufgebrochen; einer
     hielt nach Westen auf die Wälder zu, ein zweiter schlug einen Bogen, der durch ein Fischerdorf nach Norden führte, der dritte
     folgte dem Flusslauf in Richtung der Furt bei Kössern. Zmrzlík dachte aber nicht daran, deren Rückkehr abzuwarten. Er führte
     seine Abteilung aus dem Schwemmland heraus auf sicheren Boden und befahl, abzumarschieren. Sie ritten im Schritt. Die Sonne
     stieg immer höher, wurde aber plötzlich völlig von Wolken verdeckt, die ein aufkommender Wind vor sich hertrieb. Leichter
     Schneefall setzte ein.
    Der erste Spähtrupp kam zurück. Im Westen ist nichts, meldeten sie, keine Spur vom Feind. Zmrzlíks angespannte Miene veränderte
     sich nicht.
    Sie waren

Weitere Kostenlose Bücher