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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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ihren Füßen.
    Nur der Pfleger Gers von Streithagen blieb zurück, zur Salzsäule erstarrt und ungläubig dreinblickend. Scharley sprang auf
     ihn zu und versetzte ihm einen Tritt unters Knie. Der Pfleger ging in die Knie, und der Demerit brach ihm mit einem Faustschlag
     die geschwollene Nase.
    »Auf die Pferde!« Rixa war schon mit einem Sprung im Sattel. »Auf die Pferde, Freunde!«
    Kurz darauf jagten sie im Galopp den Weg entlang. Nach Westen. Wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
     
    »Vor uns ist eine Menschenansammlung«, warnte Veronika sie. »Verhülle dein Gesicht.«
    Wie Jutta trug auch sie eine
calotte
, eine Haube, die die Haare vollständig bedeckte. Jetzt zog sie auch noch ihre Kapuze darüber. Und senkte den Kopf. Bisher
     hatte sich ihre Verkleidung bewährt. Niemand hatte sie als junge Frauen erkannt, niemand hatte sich ihnen aufgedrängt, niemand
     hatte sie behelligt, niemand hatte sie ausgefragt oder sich besonders für sie interessiert. Ohne Schwierigkeiten waren sie
     so bereits einige Tage gereist, dabei waren die Straßen gar nicht menschenleer, im Gegenteil, manchmal herrschte dort geradezu
     ein Gedränge. So wie jetzt hier, in der Nähe von Zwickau.
    Im Tal wand sich ein Fluss, die Straße führte über eine Brücke, vor der sich eine Reihe von Wagen gestaut hatte, die auf die
     Kontrolle warteten. Seit Kurzem überwog auf dieser Straße eindeutig der Verkehr von Ost nach West. Sie wussten, warum. Ein
     Hausierer aus Annaberg hatte es ihnen gesagt, der leutselige Ehemann einer unscheinbaren Frau und Vater einer Unmenge von
     Kindern, den sie am Tag zuvor getroffen hatten.Ihre Verkleidung hatte den Hausierer nicht täuschen können; nachdem er sie mit »Gnädige Fräulein« angesprochen hatte, hatte
     er ihnen erklärt, dass der Exodus aus dem Osten die Folge des hussitischen Kriegszuges und der haarsträubenden Gerüchte über
     die Grausamkeit der Hussiten sei. Die Hauptstreitkräfte der Hussiten, hatte er ihnen erklärt, zögen zwar nach Meißen und Oschatz.
     Aber hinter Freiberg wüteten Hussitentrupps, welche die Minen und Hütten niederbrannten und zerstörten, besonders auf die
     Minen und die Hütten hätten es diese Teufel abgesehen. Hermsdorf, Marienberg, Lengefeld, Glashütte und Freital hätten sie
     in Schutt und Asche gelegt
. . .
    »Woraus haben sie denn dieses Zelt genäht?«, lachte Veronika. »Aus Barchent für Bettdecken?«
    Das neben der Brücke und dem Mauthäuschen aufgeschlagene Zelt war aus einem dicken Gewebe mit weiß-blauen Streifen gefertigt,
     das tatsächlich an das Material erinnerte, aus dem Deckbetten hergestellt wurden. An einem in die Erde gerammten Stock hing
     traurig ein schneefeuchter Wimpel. In der Nähe lungerten Bewaffnete herum, Hellebardenträger standen wie Puppen daneben.
    Sie ritten zur Brücke, auf der gerade ein heftiger Wortwechsel stattfand. Vor der Brücke war, wie sich zeigte, eine Abteilung
     Bewaffneter postiert, die mit den Mitteln des Faustrechts den Reisenden einen Brückenzoll für das Überqueren der Brücke abforderten.
     Es schneite, es war kalt, daher bezahlten die meisten Flüchtlinge, ohne zu murren. Von Zeit zu Zeit jedoch fand sich auch
     ein Mutigerer, der die Rechtmäßigkeit des Brückenzolls in Frage stellte. So auch jetzt. Der Flüchtling fluchte und schimpfte.
     Kinder weinten. Die Bewaffneten schimpften zurück und drohten mit den Fäusten.
    Jutta und Veronika ritten an die Brücke heran, senkten die kapuzenbedeckten Köpfe und bemühten sich, so wenig Aufmerksamkeit
     wie möglich zu erregen. Leider strebten nur wenige Reisende in die östliche Richtung. Und alle waren aufmerksam.Plötzlich versperrte ihnen ein großes Streitross den Weg, ein dunkler
dextrarius.
Auf ihm saß ein Ritter mit einer Biberfellkappe auf dem Kopf und in einem Pelzmantel, den er über seinen Hacqueton geworfen
     hatte.
    »Halt! Wer seid ihr? Die Kapuzen vom Kopf!«
    Es gab keinen Ausweg.
    »Beim Haupt des heiligen Pankratius!« Der Ritter bleckte die Zähne und schlug mit der Faust auf den Sattelknopf. »Das sind
     ja junge Mädchen!«
    Es war sinnlos, zu widersprechen.
    »Ich bin Gers von Streithagen«, sagte der Ritter. »Der Herr auf der Burg Drachenstein. Der Pfleger dieser Gegend. Ich halte
     Wache hier. Wenn die Hussiten kommen, lasse ich sie nicht über den Fluss, diese Häretiker werden sich hier die Zähne ausbeißen.
     Und wer seid ihr, Mädchen? Und warum in dieser Verkleidung?«
    »Nicht jeder, dem man unterwegs

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