Lux perpetua
.
aufhören würde, zu leben? Plötzlich und unerwartet?«
Oleśnicki schwieg eine Zeit lang.
»Ich darf mir so etwas nicht anhören«, antwortete er schließlich. »Ich darf es unter gar keinen Umständen. Darüber hinaus
bin ich, rein theoretisch, versteht sich, der Ansicht, dass dies eine vergebliche Mühe wäre. Witold ist viel zu gut geschützt,
als dass ein Anschlag auf ihn gelingen könnte. Vergiften kann man ihn auch nicht. Er hat litauische Magier in seinen Diensten,
ständig trinkt er reines Wasser aus der geheimnisvollen Quelle von Żmudż. Er ist immun gegen Gifte.«
»Gegen bekannte Gifte«, verbesserte Konrad ihn. »Nur gegen bekannte. Denn es gibt auch unbekannte, solche, von denen man nicht
einmal in Venedig gehört hat, geschweige denn im hyperboreischen Żmudż. Wie heißt es doch so schön:
Ignoti nulla curatio morbi.
Wäre ich Witold, würde ich mich sehr in acht nehmen. Denn wenn wir zu einer Einigung gelangen, hat er vielleicht kein Jahr
mehr zu leben.«
»Werden wir denn zu einer Einigung kommen?«
»Werdet ihr verhindern, dass das polnische Heer in Schlesien einfällt? Werdet ihr die Hussiten, Wołoszek und Korybut nicht
mehr unterstützen?«
»Dies steht in der Macht des Königs von Polen. Der bin ich nicht.«
»Wirklich? Man hört so einiges. Angeblich zögert ihr nicht, Jagiełło zu schelten, ihr schimpft ihn sogar aus. Das ist nichts
Neues, die polnische Kirche hat immer die politischen Fäden gezogen, sag mir nicht, sie hätte damit aufgehört. Aber Polen
hat auch seinen Adel, seine Fürsten, seine Stände, sein Volk,mit dem der König rechnen muss. Ohne Umschweife, Bischof Zbigniew.
Clara pacta, boni amici.
Werdet ihr als Gegenleistung für den Freundschaftsdienst, den ich euch in Sachen Witold erweise, darauf hinwirken, dass die
böhmischen Hussiten nicht mehr von Polen unterstützt werden? Mehr noch: dass sie in Polen verhasst sein werden? Gehasst? Von
allen, vom König abwärts bis zum letzten Bettler?«
»Sagst du mir auch, wie ich das anstellen soll? Du bist doch so klug.«
»Jetzt darf ich mir das nicht anhören.« Konrad gluckste. »Verschwörungen, Provokationen? Das ziemt sich nicht für einen Geistlichen,
einen einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn. Ich nehme doch an, Zbyszek, dass Nachrichten aus Frankreich auch nach Polen
gelangen? Nachrichten von Jeanne d’Arc, die sie
la Pucelle
nennen? Davon, wie sie das belagerte Orléans befreit hat? Dass sie die Engländer vor Patay geschlagen hat? Dass sie die Krönung
Karls VII. in der Kathedrale von Reims veranlasst hat? Dass sie Paris belagert?«
»Ja und?«
» La Pucelle
ist ein Symbol. Und ein Symbol ist das Wichtigste. Man darf seine Bedeutung nicht unterschätzen. Nun höre eine andere Geschichte:
In den Jahren 1426 und 1427 haben die Hussiten zwei Überfälle in Österreich verübt. Beim ersten Mal sind sie über das Zisterzienserstift
in Zwettl hergefallen, beim zweiten Mal über das Benediktinerstift in Altenburg. Wie üblich haben sie die Mönche umgebracht,
die Klöster geplündert und Feuer gelegt. Das ist nichts Neues, sagst du. Und da irrst du dich. In beiden Klöstern haben die
Böhmen die Orgeln in kleine Stücke gehackt, die Glocken beschädigt, den Altar auseinandergelegt. Heiligenfiguren haben sie
umgestoßen oder ihnen die Köpfe abgeschlagen. Heiligenbilder haben sie geschändet und mit Schwertern durchbohrt. Ähnliche
Bilderstürme haben sie in den bayerischen Klöstern Walderbach und Schönthal im Jahre 1428 verübt. Und im selben Jahr in Schlesien.«
»Ja und?«
»Es geht ums Symbol. In Kriegszeiten morden, brennen und rauben alle, das ist ganz normal und gehört zum Kriegsalltag. Aber
nur Abgesandte des Teufels schlagen der Figur des heiligen Florian den Kopf ab, beschmieren das Gesicht der heiligen Ursula
mit Scheiße und hacken eine wundertätige Pietà kurz und klein. Nur die Diener des Antichristen erheben ihre heiligenschänderische
Hand gegen ein Glaubenssymbol. Und Abgesandte des Teufels und Diener des Antichristen sind verabscheuenswürdig und verhasst.
Gehasst. Von allen. Vom König abwärts bis zum elendsten Bettler.«
»Ich verstehe.« Zbigniew Oleśnicki nickte. »Und ich muss dir recht geben. Was die Symbole anbelangt.«
»Ich hätte sogar Leute dafür.« Der Bischof von Breslau lächelte. »Eine Spezialbande, eigens vom Galgen herabgeholt. Bereit
zu allen Schandtaten. Bei jedem Symbol, auf das man sie hinweist. Dir, Bischof von
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