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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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auf Reynevans Stöhnen und seine verzweifeltenVersuche, herzukriechen und ihn daran zu hindern, zu achten, stach Zbigniew Oleśnicki zweimal mit dem Hackmesser auf das Bild
     ein. Zweimal, heftig und tief. Auf die rechte Wange der Gottesmutter. Neben die Nase.
    Reynevan sah nichts mehr. Er fiel in einen Abgrund.
    Er fiel sehr lange.
     
    Er erwachte wieder, den ganzen Körper mit Verbänden bedeckt, auf Erbsenstroh, auf einem schaukelnden Wagen liegend. Der Flieder
     am Wege duftete so lieblich nach Mai, dass es ihm einen Moment lang schien, die Zeit sei rückwärts geflossen oder alles, was
     er in den letzten zwei Jahren erlebt hatte, sei nur ein Traum gewesen. Es war wieder Mai 1428, und sie brachten ihn verwundet
     ins Spital nach Ohlau. Jutta, lebendig und ihn liebend, wartete auf ihn im Klarissenkloster von Weißkirchen.
    Aber das war kein Traum und keine Zeitreise. Er hatte Ketten an Händen und Füßen. Und die Soldaten, die neben dem Wagen herritten,
     sprachen Polnisch.
    Mühsam stützte er sich auf seinen Ellenbogen. Er spürte, wie sein ganzer Körper schmerzte und wie sich die Wundnähte zusammenzogen.
     Er erblickte eine von der untergehenden Sonne beschienene Anhöhe. Und auf deren Gipfel eine steinerne Burg, ein richtiges
     Adlernest, gekrönt von einem Donjon.
    »Wohin
. . .
«, er kämpfte gegen die Trockenheit im Mund an, »wohin
. . .
bringt ihr mich?«
    »Halt die Schnauze!«, knurrte einer der Soldaten aus der Eskorte. »Ist verboten! Der Befehl lautet: Fängt er an zu reden,
     zieht ihm eins mit der Streitaxt drüber. Also, sei vorsichtig!«
    »Hör schon auf!«, beruhigte ihn ein anderer. »Hab doch ein Einsehen. Der redet nicht, der fragt doch nur. Und dies ist doch
     das Ende seines Weges. Soll er ruhig wissen, wo er verfaulen wird.«
    Krähen flogen krächzend über den Himmel.
    »Brüderchen, das ist die Burg Lelów.«

Ich nehme an, dass noch keiner von Euch in einem Burgverlies gesessen hat.
    Keiner von Euch, Ihr edlen Herren Ritter, keiner von den hier in der Schenke anwesenden frommen und gottesfürchtigen Mönchen.
     Keiner von den Herren Kaufleuten. Und keiner von Euch hat die tiefen Gänge gesehen, die mit fauligem Wasser gefüllten Löcher
     und die stinkenden dunklen Kammern. Oder?
    Keiner von Euch.
    Und das muss Euch auch gar nicht leidtun.
    Zu Zeiten des guten Königs Władysław Jagiełło gab es einige Burgverliese in Polen, Verliese, die überall Grauen erregten.
     Der Turm von Krakau. Chęciny. Sandomierz. Olkusz. Allenstein, in dem man Maciej Borkowicz dem Hungertod überantwortete. Ostrzężnik.
     Iłża. Lipowiec.
    Und es gab ein Burgverlies, bei dessen Namen die Leute verstummten und erbleichten.
    Burg Lelów.
    In den anderen Gefängnissen saß man, in den anderen Gefängnissen litt man. Aus den anderen Gefängnissen kam man wieder heraus.
    Aus Lelów kam niemand je wieder heraus.

Zweiundzwanzigstes Kapitel
    in dem sich der aus der Dunkelhaft von Lelów befreite Reynevan am Licht erfreut. Und sich ein letztes Mal zum Kampfe stellt.
    Im Königsschloss von Łęczyca herrschte eine Atmosphäre von Unruhe und nervöser Hast. Die Wohnräume im Alten Haus wurden hergerichtet,
     die der Repräsentation vorbehaltenen Säle gereinigt, möbliert und geschmückt. Die Nachricht, dass gerade in Łęczyca die Friedensverhandlungen
     stattfinden sollten, hatte den Burggrafen sehr spät erreicht, erst in letzter Sekunde, und so blieb recht wenig Zeit für die
     Vorbereitungen. Der Burggraf rannte durch das Alte Haus, wütete, fluchte, trieb seine Leute an, schimpfte und fragte unablässig,
     ob denn vom Turm aus nicht schon der Geleitzug der Bischöfe und der polnischen Herren oder die Gesandtschaft der Deutschordensritter
     zu sehen seien. Vom Deutschen Orden wurden unter anderen Konrad von Erlichshausen von der Marienburg und Ludwig von Lauscha,
     der Komtur von Thorn, erwartet, unter den Gesandten sollte sich auch Franz Kuhschmalz, der Bischof von Ermland, befinden.
     Aus Polen erwartete man die Bischöfe Zbigniew Oleśnicki und Władysław z Oporowa, den Starosten und Kastellan von Krakau, Mikołaj
     z Michałowa, und den Kastellan von Posen, Dobrogosta z Szamotuł.
    Der wichtigste Abgesandte Polens war bereits in Łęczyca angekommen. Er hatte sich sofort nach seiner Ankunft in die für ihn
     vorbereiteten Gemächer begeben. Er hatte dort, wie dem Burggrafen zugetragen wurde, einen seltsamen, von einer Kapuze bedeckten
     Gast empfangen. Und hatte befohlen, ihn nicht zu

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