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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zufällig einen Talisman, Achilles?«
    »Ich besitze ein paar. Was für einen brauchst du?«
    »Das Pantaleon.«
    »Ach!« Der
unguentarius
schlug sich an die Stirn. »So ist das also! Ha, tatsächlich, das ist die Lösung. Das besitze ich zwar nicht, aber ich weiß,
     wo man es kriegen kann. Das Ding ist nicht billig
. . .
Hast du Geld?«
    »Ich soll welches kriegen.«
    »Wenn nicht heute, dann morgen?«, erriet Achilles Czibulka.»Gut, ich leg’s dir aus, du gibst es mir später zurück. Dein Pantaleon sollst du haben. Und jetzt komm mit zum ›Mohrenkopf‹,
     da essen wir was, trinken einen Schluck. Du erzählst mir von deinen Abenteuern. Hier waren so viele Gerüchte im Umlauf, dass
     ich vor Neugier sterbe . . .«
     
    Und so hatte, noch bevor sich der Tag seinem Ende zuneigte, unser Glückspilz Reynevan in Breslau Aussicht auf Geld und einen
     Unterschlupf, zwei Dinge, ohne die kein Verschwörer auskommt. Er hatte auch einen Freund und Gefährten. Denn obwohl Reynevan
     die Erzählung von seinen Abenteuern stark gerafft und streng zensiert hatte, war Achilles Czibulka so beeindruckt, dass er,
     sobald Reynevan geendet hatte, sogleich seine umfassende Hilfe und Beteiligung bei allem, was Reynevan beabsichtigte und plante,
     erklärte.
    Was Reynevan betraf, so hoffte dieser sehr, dass seine Glückssträhne anhielt. Er brauchte sie sehr. Er musste mit Kanonikus
     Otto Beess Kontakt aufnehmen. Dies war riskant. Otto Beess konnte verfolgt werden und sein Haus unter Beobachtung stehen.
    Meine ganze Hoffnung, dachte der Glückspilz Reynevan, kurz bevor er glücklich und zufrieden in dem Kämmerlein über der Apotheke
     in seinem knarrenden Bett unter der muffig riechenden Federdecke einschlief, meine ganze Hoffnung ist das Glück, das mir in
     letzter Zeit so gewogen war.
    Und das Pantaleon.
     
    Als sich Reynevan das Amulett um den Hals legte und es aktivierte, riss Achilles Czibulka die Augen auf, öffnete den Mund
     und machte einen Schritt nach hinten.
    »Jesus Maria«, seufzte er. »Pfui, pfui! Was dieses verdammte Ding da aus einem Menschen machen kann
. . .
Gut, dass du dich nicht selbst siehst.«
    Das Amulett Pantaleon, eine Breslauer Spezialität, ein Originalprodukt der Breslauer Magie, war nur zu einem einzigenZweck erdacht und entwickelt worden: Es sollte die Identität desjenigen verbergen, der es umhatte. Bewirken, dass sein Träger
     der allgemeinen Aufmerksamkeit entging. Dass man ihn nicht beachtete, dass die Blicke Aufgeschlossener an ihm abglitten und
     weder sein Äußeres noch seine Anwesenheit überhaupt registriert wurde. Benannt worden war das Amulett nach Pantaleon von Corbiel,
     einem Prälaten des Bischofs Nanker. Prälat Pantaleon war berühmt dafür, dass er so unglaublich unauffällig, so mausgrau und
     so verflixt unscheinbar aussah, dass ihn kaum jemand, auch der Bischof nicht, bemerkte und ihm Aufmerksamkeit schenkte.
    »Angeblich ist es nicht gut, das zu lange zu tragen«, meinte der
unguentarius
, »oder zu oft
. . .
«
    »Ich weiß. Ich werde es maßvoll anwenden und beim Tragen Pausen machen. Lass uns gehen.«
    Es war Donnerstag, Markttag, und auf dem Salzplatz herrschte ein einziges Gedränge, Durcheinander und Stimmengewirr. Nicht
     weniger unruhig ging es auf dem Ring zu, wo eine Hinrichtung für zusätzliches Interesse des Publikums sorgte. Reynevan und
     Czibulka erfuhren nicht, was man dort wem angetan hatte, denn sie gingen durch die Tuchlauben und gelangten anschließend über
     den Hühnermarkt auf die mit hölzernen Balken ausgelegt Schuhbrücke.
    Am Fenster von Kanonikus Otto Beess hing kein gelber Vorhang. Reynevan senkte sofort den Kopf und beschleunigte seinen Schritt.
    »Das neue Haus und das Kontor der Fugger«, warf er über die Schulter dem schnaufenden Czibulka zu, »weißt du, wo das ist?«
    »Das weiß doch jeder. Auf dem Neumarkt.«
    »Los, wir gehen. Dreh dich nicht um.«
     
    Das Pantaleon wirkte vorzüglich. Damit ihn der im Kontor tätige Handelsdiener überhaupt bemerkte, musste Reynevan seine Stimme
     heben und mit der Faust aufs Pult schlagen. Bisjedoch der herbeigerufene Faktor des Handelshauses der Fugger erschien, musste Reynevan warten. Aber es war ihm die Mühe wert,
     zu warten. Und nicht ungeduldig zu werden.
    Der Faktor der Fugger erinnerte von Gestalt und Gesicht eher an einen Priester als an einen Kaufmann.
    »Aber selbstverständlich, selbstverständlich.« Er lächelte freundlich, als er hörte, in welcher Angelegenheit der Kunde

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