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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gekommen
     war.
    »Seine Hochwürden, Otto Beess, hat vor seiner Abreise in unserer Firma ein gewisses
. . .
Depositum hinterlegt. Für den edlen Herrn Reinmar von Hagenau. Ihr seid, wie ich verstehe, ebenjener Herr Reinmar?«
    »Genau.«
    »Aber Ihr seht nicht so aus.« Der Faktor lächelte noch liebenswürdiger, während er die Manschetten seines mit goldenen Fäden
     bestickten Samtwamses zurechtzupfte, eines Kleidungsstückes, das eher zu einem Fürsten als zu einem Kaufmann passte. »Ihr
     seht nicht so aus. Kanonikus Beess hat uns instruiert, er hat nicht versäumt, uns Reinmar von Hagenau genau zu beschreiben.
     Dieser Beschreibung entsprecht Ihr ganz und gar nicht. Ihr gestattet deshalb wohl
. . .
«
    Der Faktor griff in seine Brusttasche und holte eine an einem Riemchen hängende durchsichtige, bläuliche kleine Platte hervor.
     Er hielt sie sich vor das Auge und musterte dann Reynevan von oben bis unten. Reynevan seufzte. Er hätte es sich denken können.
     Für jeden Zauber gab es einen Gegenzauber, für jedes Amulett ein Contra-Amulett. Für das Pantaleon gab es das Visiovera. Das
     Periapt des wirklichen Sehens.
    »Alles klar«, sagte der Faktor und stopfte das Periapt wieder in die Brusttasche. »Wollt Ihr mir bitte folgen.«
    In dem Zimmer, das sie betraten, nahm eine große Landkarte die ganze Breite der Wand gegenüber dem flackernden Kamin ein.
     Eine Landkarte von Schlesien, Böhmen und der Lausitz. Reynevan genügte ein Blick, um zu erkennen, was die darauf eingezeichneten
     Linien, Pfeile und Kreise um die Städte herumbedeuteten. Unter anderem waren Schweidnitz und Striegau mit roten Kreisen versehen, und die nach Süden weisende Linie deckte
     sich mit dem Weg der nach Böhmen zurückkehrenden Waisen von Královec. Auch die Linien, die Böhmen mit der Lausitz – mit Zittau,
     Bautzen und Görlitz – verbanden, stachen ins Auge. Und ein dicker, sich windender, mit einem Pfeil am Ende versehener Strich,
     der tief ins Elbtal, nach Sachsen, Thüringen und Franken hineinragte.
    Der Faktor des Handelshauses der Fugger war sichtlich erfreut über Reynevans Interesse.
    »Jan Královec und seine Waisen«, er trat auf die Landkarte zu und zeigte darauf, »sind gestern, am sechzehnten Februar, mit
     Triumph in Hradec Králové empfangen worden. Nach siebzig Tagen Plünderung und Brand ist der Feldzug siegreich beendet worden.
     Diese Linie wird man also schon von der Karte entfernen können. Was die anderen Markierungen anbelangt
. . .
Vieles wird vom Ergebnis des Treffens in Luck in Wolhynien abhängen. Davon, wie sich Witold verhält. Vom diplomatischen Geschick
     des Andrea de Palatio, des päpstlichen Gesandten. Davon, ob es in Posen zu Verhandlungen zwischen Sigismund von Luxemburg
     und Prokop dem Kahlen kommt
. . .
Wie denkt Ihr darüber? Werden wir die roten Linien und Pfeile von der Karte entfernen können? Oder werden wir neue eintragen
     müssen? Was ist Eure Meinung dazu, Reinmar von Bielau?«
    Reynevan sah ihm in die Augen. Der Faktor lächelte. Das Einzige, was er von einem Kaufmann an sich hatte, war dieses Lächeln.
     Werbend. Vertrauenerweckend. Auffordernd, ihm Geld und Geschäfte anzuvertrauen. Und Geheimnisse mit ihm zu teilen.
    »Ich verstehe.« Wie beiläufig winkte er ab, die Hand mit vielen kostbaren Ringen geschmückt. »Es gibt Dinge, über die wir
     nicht sprechen
. . .
Vorläufig. Kommen wir also zur Sache.«
    Er öffnete einen kleinen Sekretär.
    »Kanonikus Beess«, sagte er und hob den Blick, »hat unsvor seiner Abreise mit seinem Vertrauen beehrt. Aus gutem Grund. Er wusste, dass bei den Fuggern ein Depositum wie auch ein
     Geheimnis gut aufgehoben ist. Nichts kann unser Handelshaus dazu zwingen, ein uns anvertrautes Geheimnis preiszugeben.«
    »Hier sind also die Depositen. Ein Brief von Otto Beess, versiegelt, das Siegel unversehrt. Hier sind die von Otto Beess hinterlegten
     hundert Gulden. Und weitere hundert, die ich Euch, der gestrigen Anordnung von Herrn Bartholomäus Eisenreich folgend, aushändigen
     soll
. . .
Wollt Ihr nachzählen?«
    »Ich vertraue Euch.«
    »Zu Recht, wenn ich das sagen darf. Und wenn ich Euch raten darf, beansprucht nicht die ganze Summe auf einmal.«
    »Danke für den Rat. Ich werde dennoch alles an mich nehmen. Jetzt und sofort. Ich habe nicht die Absicht, noch einmal wiederzukommen.
     Ich verabschiede mich. Denn wir werden uns wohl nicht wiedersehen.«
    Der Faktor der Fugger lächelte.
    »Wer kann das wissen, Herr Reinmar von Bielau? Wer

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