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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bekommen. Du kannst ihn aber auch in deinen Besitz bringen.
     Du hast die Wahl.«
     
    Reynevan kannte das »Goldfischlein« noch aus der Zeit, als er im Hospital der heiligen Elftausend Jungfrauen praktiziert hatte.
     Warum diese an der Straße nach Posen gelegene Wirtschaft so hieß, blieb das Geheimnis ihres Besitzers oder ihrer Besitzer,
     denn diese hatten den Namen des noch aus den Zeiten von Heinrich Probus stammenden Gasthauses häufig gewechselt. Ein Fischlein
     – ob nun ein goldenes oder ein anderes – suchte man sowohl auf dem Schild wie auch im Inneren des Hauses vergeblich. Die Schenke
     hatte gar kein Schild, und Hauptausstattungsstück war ein riesiger ausgestopfter Bär. Dieser stand schon so lange in der Schenke,
     wie sich die ältesten Besucher zurückerinnern konnten, er hatte aber im Laufe der Jahre den Kampf gegen die Motten zusehends
     verloren. Den Motten kam denn auch das Verdienst zu, ein ganz besonderes Geheimnis zu enthüllen: Unter dem von ihnen zerfressenen
     Pelz kamen mit der Zeit dicke Nähte zum Vorschein, die verrieten, dass das Tier ein künstliches Gebilde war, geschickt zusammengesetzt
     aus mehreren kleineren Bären und anderen, mehr oder weniger zufällig gewählten Elementen. Die Besucher zeigten sich ob dieser
     Tatsache keineswegs erschüttert, und es störte sie auch nicht.
    Auch an diesem Abend beachtete kaum jemand den Bären. Die Gäste in der gut gefüllten Schankstube widmeten ihre gesamte Aufmerksamkeit
     dem Bier und dem Branntwein und auch, trotz der strengen Fasten, dem fetten Fleisch. Letzteres wurde über den Kohlen gebraten
     und erfüllte das Lokal mit angenehmem Duft und undurchdringlichem Qualm.
    »Ich suche
. . .
«, Reynevan unterdrückte einen Hustenreiz und wischte sich über seine tränenden Augen, »ich suche einen Mann mit Namen Hempel.
     Grabis Hempel. Ich weiß, dass er häufig hier ist. Heute auch?«
    »Bin ich meines Bruders Hüter?« Der Gastwirt blickte durch den Qualm zu ihm herüber. »Suchet, so werdet ihr finden.«
    Reynevan schickte sich schon an, dem Wirt gleichfalls mit einem Bibelzitat aufzuwarten, als ihn Achilles Czibulkas Räuspernauf eine andere Lösung des Problems hinwies. Daher zog er einen Goldgulden aus der Tasche und zeigte ihn dem Wirt. Dieser
     hörte augenblicklich mit seinen Bibelzitaten auf. Mit einer Kopfbewegung wies er in eine Ecke der Wirtschaft. An einem mit
     Krügen und Humpen bedeckten Tisch saßen drei recht freizügig gekleidete – oder besser entkleidete – Frauenzimmer. Und vier
     Männer.
    Es gelang ihnen nicht, sich ihnen zu nähern. Reynevan fühlte, wie ihn etwas gegen den Schanktisch presste. Etwas Großes. Stinkendes.
     Dem Maskottchen der Schenke Ähnelndes. Nur mit Mühe gelang es ihm, sich umzudrehen.
    »Neue Leute«, sagte ein entsetzlich nach Zwiebeln und schlecht verdautem Fleisch stinkender, riesiger, krausköpfiger Kerl,
     dem das Hemd halb aus der Hose hing, »neue Leute geben ihren Einstand. Das ist hier so Sitte. Zücke also dein Geldsäckel,
     junger Herr. Und gib einen aus, denn wir sind durstig.«
    Die Kameraden des Krauskopfes, drei an der Zahl, wieherten. Einer stieß Achilles Czibulka mit seinem Bauch an. Er roch zur
     Abwechslung nach einer Fastenspeise. Nach Fisch. »Schankwirt«, Reynevan nickte, »Bier für die Herren. Für jeden einen Humpen.«
    »Einen Humpen?« Der Krauskopf hustete ihm ins Gesicht. »Einen Humpen? Willst du einen Oderfischer beleidigen? Einen Arbeiter?
     Ein Fässchen stell her, du Geizhals! Du Tölpel! Du städtische Filzlaus!«
    »Geh weg, guter Mann!« Reynevan blinzelte ein wenig. »Mach dich fort. Lass uns in Ruhe.«
    »Sonst noch was?«
    »Führe mich nicht in Versuchung.«
    »Waaas?«
    »Ich habe ein Gelübde getan, dass ich in der Fastenzeit niemanden schlage.«
    Es dauerte etwas, bis sich der Krauskopf alles zurechtgelegt hatte, bis er brüllte und die Faust zum Schlag ballte. Reynevan
     war schneller. Er riss einen Krug vom Schanktisch und schlugihn dem Krauskopf auf den Kopf, dass Bier und Blut an ihm hinunterliefen. Seinen Schwung nutzend, trat er sodann dem zweiten
     Strolch in den Schritt, Czibulka hieb dem dritten mit dem Schlagring, den er vorsorglich eingesteckt hatte, auf die Nase,
     dem vierten knallte er die Faust in die Rippen und ließ ihn in die Knie gehen. Der Krauskopf versuchte, sich zu erheben, Reynevan
     rammte ihm den übrig gebliebenen Henkel des Kruges an die Stirn; als er sah, dass das noch zu wenig war, setzte er nach, bis
     er

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