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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Damit ist es absolut immun gegen alle bekannten giftigen Substanzen und Gifte in ihrer Grundform.
     Es ist also notwendig, ein Kompositum anzuwenden, ein mehrfach kombiniertes Gift.«
    »Das
aurum potabile
selbst reagiert auf nichts. Man muss aber annehmen, dass derjenige, der das
aurum
zu sich nimmt, sich auch andere Spezifika verabreicht, um die organische Balance und das somatische Gleichgewicht zu wahren
     und Nebenwirkungen zu unterdrücken. Derartige Spezifika sind die
confectiones magnae,
die
confectiones opiatae,
einige
panaceae,
wie zum Beispiel
hiera
, und einige
athanasia
, wie
Theriak.
«
    »Unser
compositum
, das alchemistische
magisterium
Edlinger Brehms, hat als
menstruum
ein geschmackloses
aqua fortis.
Die verwendeten
simplicia
sind, wenn dich das interessiert, unter anderem die Herbstzeitlose,
Colchicum autumnale
, und der Seidelbast,
Daphne mezereum.
Nichts Besonderes oder Neues, mit Seidelbast hat, wie aus seinem lateinischen Namen leicht zu erraten ist, schon Medea in
     Kolchis getötet. Das, was an unserer Komposition so innovativ
. . .
und so tödlich ist, istBufotenin. Ein magisch hergestellter Extrakt aus aktiven Substanzen, die sich in den Drüsensekreten von Kröten finden.«
    Bezdĕchovskýgriff nach der Karaffe und goss sich ein.
    »Wenn du ihm dieses Gift verabreichst, wird das Objekt nach einer gewissen Zeit Symptome einer negativen Reaktion auf
aurum potabile
verspüren. Meist nimmt es dann ein
panaceum
ein. Mit dem
panaceum
reagiert die Herbstzeitlose und ruft Durchfall hervor. Das Mittel gegen Durchfall reagiert mit dem
mezereum,
steigert die Symptome um ein Vielfaches und erhöht die Körpertemperatur stark. Das Objekt nimmt dann
hiera
oder
Theriak
zu sich, und auf die dadurch hervorgerufene Reaktion reagiert heftig das Bufotenin.«
    »Tritt der Tod rasch ein? Schmerzlos?«
    »Ganz im Gegenteil.«
    »Das ist gut. Vielen Dank, Meister.«
    »Danke mir nicht. Geh hin und vergifte diesen Hurensohn.«
     
    Die Leute blieben stehen, glotzten vor Bewunderung mit offenen Mündern, flüsterten und zeigten mit den Fingern. Es schien,
     als seien Legenden, Märchen und Ritterepen lebendig geworden und in Breslau eingekehrt, auf der belebten Burgstraße. Mitten
     auf der Straße, durch ein Spalier von Breslauer Bürgern, die den Weg freimachten, tänzelte ein herrlicher dunkelbrauner Hengst,
     angetan mit einem schneeweißen Gelieger und mit einer Blumengirlande um den Hals. Der Ritter hielt das vor ihm im Sattel sitzende
     bildschöne Mädchen, in einer weißen
cottehardie
und mit einem Blütenkranz auf den wallenden, blonden Haaren, die sie wie eine Waldnymphe offen trug, in den Armen. Das Mädchen
     hielt den Ritter umfangen, schenkte ihm leidenschaftliche Blicke voller Liebe und von Zeit zu Zeit einen nicht minder leidenschaftlichen
     Kuss. Das Pferd schritt, rhythmisch mit den Hufen klappernd, erhaben dahin und die Leute starrten entzückt hinüber. Es schien,
     als wären sie direkt den Strophen einer Romanze, den Liedern einesTroubadours, den Erzählungen eines Barden entsprungen und in Breslau aufgetaucht.
    Seht mal, flüsterten die Breslauer, Lohengrin mit Elsa von Brabant, Erec herzt seine Enide im Sattel, Aucassin hält seine
     Nicoletta umfangen, das sind Flor und Blancheflor. Schaut doch mal, Yvain und die Herrin der Quelle, das sind Gareth und Lyoness,
     Walther und Hildegund, das ist Parzival selbst mit seiner Condwiramurs.
    »Sie glotzen.« Parzival von Rachenau löste seine Lippen von denen seiner Verlobten. »Sie starren uns die ganze Zeit an
. . .
«
    »Sollen sie doch glotzen!« Ofka von Baruth, bald schon von Rachenau, setzte sich im Sattel zurecht und blickte voller Liebe
     in die Augen ihres Verlobten. »Du hast es mir versprochen.«
    Und wirklich, Parzival von Rachenau hatte es versprochen. Beide Väter, Tristram von Rachenau und Heinrich von Baruth, hatten
     die Verlobten nach der offiziellen Verlobungszeremonie Bier und Wein, die Mütter hingegen, Roswitha von Baruth und Berchta
     von Rachenau, ihren Träumen von Enkelkindern überlassen. Und Parzival hatte das Versprechen, das er seiner Verlobten gegeben
     hatte, erfüllt. Dass er romantisch mit ihr durch Breslau reiten würde. Vom Ring zum Dom und wieder zurück. Sie vor sich im
     Sattel. Auf dem dunkelbraunen Andalusier, einem Geschenk von Dzierżka de Wirsing.
    Die Breslauer glotzten. Die Hufe dröhnten über die Bretter und Dielen, die Verlobten ritten auf die Sandbrücke. Passanten
     machten ihnen Platz. Ofka

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