Lux perpetua
herausfinden, wo man sie gefangen hält.«
»Guter Herr«, schluchzte Pater Felician, »wie soll ich denn das machen? Ich bin doch nur ein armer Wicht
. . .
Nicht weiter von Bedeutung
. . .
Und dass ich dem Bischof diene? Wer bin ich denn schon beim Bischof? Ein Diener, ein kleiner Knecht
. . .
Das, worum es Euch geht, Herr, ist nicht eine Angelegenheit des Bischofs, sondern eine des Heiligen Officiums
. . .
Was hab’ denn ich mit dem Officium zu schaffen, mit diesen geheimen Dingen? Was kann ich denn schon davon wissen?«
»Wissen kannst du«, zischte der Angreifer, »so viel, wie du hörst, vermutest und herausfindest. Und dass du darin ein Meister
bist, ist kein großes Geheimnis. Es gibt nur wenige, die sich im Abhören, Beobachten und Herumschnüffeln mit dir messen können.«
»Wer bin ich denn schon? Ein Diener
. . .
ein Nichts! Ihr müsst mich mit jemandem verwechselt haben
. . .
«
»Ich habe dich nicht verwechselt. Du bist Hans Gwisdek, weit und breit bekannt als die Laus. Jetzt Pater Felician, den der
Bischof zum Dechanten an zwei Kirchen gleichzeitig gemacht hat, an St. Elisabeth und St. Michael. Als Belohnung für Spitzeldienste
und Zuträgerei. Nicht wahr, Pater Beichtiger? Erst hast du für Kanonikus Beess spioniert, dann hast du Beess denunziert. Jetzt
denunzierst du Tylman, Lichtenberg, Borschnitz und andere. Der Bischof hat dir für deine Spitzeldienste eine weitere Förderung
deiner Karriere versprochen, den Aufstieg innerhalb der Kirchenhierarchie und weitere opulente Pfründe. Was meinst du: Wird
der Bischof sein Versprechen halten? Wenn er die Wahrheit über dich erfährt? Dass du mit den Walloninnen herumhurst und noch
dazu in der Fastenzeit, das verzeiht dir der Bischof gewiss. Aber was wird er tun, wenn er erfährt, dass du ihn, den Bischof,
auch denunzierst,und zwar nicht weniger emsig? Beim Inquisitor Gregor Hejncze?«
Pater Felician schluckte laut. Lange sagte er kein Wort.
»Das, was ihr wissen wollt«, stammelte er schließlich, »ist eine Geheimsache der Inquisition. Das betrifft die Häresie. Das
ist ein großes Geheimnis
. . .
«
»Auch große Geheimnisse kann man erschnüffeln«, dass der Angreifer ungeduldig war, konnte man hören, »und je größer das Geheimnis,
desto größer der Lohn. Schau, hier sind zwanzig rheinische Gulden. Ich gebe sie dir; sie gehören dir, wenn ich dich freilasse,
kannst du sie dir nehmen. Ohne eine Verpflichtung einzugehen. Wenn du mir aber Informationen lieferst, wenn du meine Erwartungen
erfüllst, bekommst du fünfmal mehr. Hundert Gulden, Gwisdek. Das ist fünfmal mehr als die Präbende, die du jährlich aus deinen
zwei Ämtern beziehst. Denk mal nach, rechne. Vielleicht zahlt es sich aus, wenn du dich anstrengst.«
Pater Felician schluckte erneut, und seine Augen blitzten listig. Der Angreifer mit dem Allerweltsgesicht beugte sich über
ihn und leuchtete ihm ins Gesicht.
»Du musst aber wissen«, sagte er gedehnt, »wenn du etwas verrätst
. . .
wenn du mich ausliefern solltest, wenn man mich verhaftet
. . .
Wenn ich auch nur einmal böse überrascht werden sollte, wenn ich krank werden sollte, mein Essen vergiftet sein sollte, ich
an einem Knochen ersticken, in einer Jauchegrube ertrinken oder von einem Wagen überrollt werden sollte
. . .
Dann, Beichtiger, kannst du sichergehen, dass bestimmte Beweisstücke denen zugespielt werden, denen du geschadet hast. Oder
denen du immer noch schadest. Zu ihnen gehört auch Johann Sneschewitz, der Vikar des Bischofs. Der Vikar ist ein Hitzkopf,
das weißt du sehr wohl. Wenn der bestimmte Dinge erfährt
. . .
Dann fischen sie dich aus der Oder, Gwisdek. Ehe drei Tage vergangen sind, fischen sie deine aufgequollene Leiche am Falknerwehr
heraus. Das verstehst du doch, nicht wahr?«
Pater Felician verstand. Er krümmte sich und nickte eifrig.»Du hast zehn Tage, um an die Information zu kommen. Dieser Termin ist unwiderruflich.«
»Ich werde mich bemühen
. . .
Wenn es nur klappt
. . .
«
»Es wäre besser, wenn es klappte. Besser für dich. Klar? Und nun bist du frei, du kannst gehen. Ach, Gwisdek
. . .
«
»Ja, Herr?«
»Strolch nicht nachts herum. Ich zähle auf dich, es wäre schade, wenn sie dir hier irgendwo die Kehle durchschneiden würden.«
Am Fenster des Hauses von Otto Beess an der Schusterbrücke hing immer noch kein gelber Vorhang. Reynevan hatte auch nicht
erwartet, dort einen zu sehen. Er war nicht aus diesem Grund gekommen. Die
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